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Stimmen

Stimmen

Titel: Stimmen
Autoren: Greg Bear
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einen Drink bleiben?«
    »Sie wissen doch, dass ich nicht trinke.«
    »Für mich ein kleines Glas Sherry, und Sie bekommen Ginger Ale«, erwiderte sie mit gekonnter Liebenswürdigkeit. »Um auf Ihren Freund anzustoßen.«
    Sie begaben sich in die riesige Küche, wo Michelle Peter einen Platz an der marmornen Frühstückstheke zuwies. Da nur die Theke beleuchtet war und der übrige Raum im Schatten lag, kam Peter sich so vor, als säße er im Rampenlicht. Nachdem Michelle sich selbst Sherry und ihm Ginger Ale eingeschenkt hatte, setzte sie sich neben ihn in die Ecke. »Auf Ihren Freund.« Sie hob das Glas.
    »Auf Phil.« Peter merkte, wie seine Schultern zuckten. Er verschluckte sich am Ginger Ale und begann zu würgen, was er dazu nutzte, die Tränen zu verbergen. Er hustete, bis der Drang, einfach loszuheulen, fast verschwunden war.
    Michelle reichte ihm eine Serviette, damit er sich die Augen trocknen konnte. »Möchten Sie über ihn reden?«
    »Ich glaube nicht, dass die Zeit dazu reicht.«
    »Ihr Termin ist doch erst in anderthalb Stunden. – War er berühmt?«
    »Eigentlich nicht. Er war ein besserer Schriftsteller als ich, vielleicht auch ein besserer Mensch.«
    »Schreiben Sie selbst denn noch?«
    »Nur wenn ich Geld brauche.«
    »Ich bewundere Menschen, die aus ihrem Talent etwas machen.« Michelle stellte ihr Glas ab. »Was halten Sie von Weinstein?«
    »Das ist ein kleiner Gauner, für Geld würde der alles tun.« Peter griff in die Jackentasche und holte das Trans heraus, das reibungslos an dem Bündel mit Hundertdollarnoten vorbeiglitt. »Hab’s noch nicht ausprobiert.«
    »Geben Sie mir Ihre Nummer«, sagte Michelle. »Weinstein hat eine ganze Kiste hier gelassen. Ich werd mir ein hübsches Blaues aussuchen.«
    »Funktionieren die überhaupt?«
    »Im Haus offenbar nicht. Aber ich muss sowieso öfter mal nach draußen. Außerdem zahlt Weinstein Ihnen was, falls wir Joseph zum Investieren überreden können… Stimmt doch, oder?«
    Peter lächelte reumütig, neigte den Kopf und nickte. Er öffnete das Gerät und las laut die Ziffern vom Bildschirm ab. Es war eine seltsame Telefonnummer: sieben Zahlenpaare, jeweils durch Bindestrich voneinander abgetrennt.
    Michelle notierte sich die Nummer auf einem Zettel. »Sehen Sie?«, sagte sie und strich ihm über die Hand. »Früher war ich hart drauf. Wurde ins Wasser geworfen und musste Schwimmen lernen. Ich kenne das Leben. Ist nicht leicht, einen sicheren Hafen zu finden.« Sie schüttelte ihr Haar und und streckte eine Hand aus, als wollte sie die Mauern der Küche zurückdrängen. »Ich verliere mich hier einfach. Jetzt bin ich schon dreizehn Jahre mit Joseph zusammen und hab immer noch nicht alle Räume erforscht.« Sie schüttelte den Kopf. »Die Hälfte ist nicht einmal möbliert. Ich könnte mit den Gebäuden alles anstellen, wozu ich Lust habe, aber Joseph und ich sind ja ganz allein, bis auf Sie und das Putzpersonal, das ein-, zweimal in der Woche kommt. Joseph möchte hier kein Personal wohnen haben.«
    »Ist schon ein stiller Ort.«
    »Sehr still.« Michelle griff nach Peters Trans und klappte es auf. »Weinstein hat mir das Ding vor einigen Tagen erklärt, ehe er mit Joseph gesprochen hat. Ist das Ihr Einziges?«
    »Er hat mir noch neun andere gegeben. Soll ich sie wegwerfen?«
    »Aber nein. Vielleicht liegt’s ja nur am Wetter, und sie funktionieren irgendwann auch im Haus. Wir werden sie einfach weiterverteilen. Hat ja keinen Zweck, sie im Karton liegen zu lassen. Ich rede noch mal mit Joseph und versuche ihn zu überzeugen. Ihnen zuliebe, nicht um Weinstein zu helfen.«
    Peter beugte sich vor. »Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll. Sie behandeln mich wie einen Bruder.«
    »Sie könnten genauso gut ein Bruder sein. Sie wissen, wo die Grenzen liegen, und schenken mir mehr Achtung, als meine Brüder mir je erwiesen haben. Ihnen ist klar, dass mein Job hier nicht leicht ist und ich trotzdem daran festhalten möchte. Wir haben beide viel von derselben Welt gesehen, wenn auch von verschiedenen Seiten des Zauns. Und wir meinen beide, was wir sagen.«
    »Meine Güte… Ich weiß nicht, wie ich’s ausdrücken soll, aber das weiß ich wirklich zu schätzen.«
    Michelles Lippen zuckten. »Sie sind jemand, mit dem ich noch einiges vorhabe, Peter Russell.« Sie nippte am Sherry. »Wenn man den Toten zuprostet, fühlen sie sich getröstet und machen einem nicht mehr zu schaffen. Und dann denkt man nur noch Gutes über sie.«
    »Sie klingen so, als
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