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Stimme aus der Unterwelt

Stimme aus der Unterwelt

Titel: Stimme aus der Unterwelt
Autoren: Stefan Wolf
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auch.“
    Posnickel lächelte gequält. „Es geht
um... Also, in unserer Zeitung war eine Liste jener Ruhestätten veröffentlicht,
deren Auflassung bevorsteht. Damit sollte Angehörigen die Möglichkeit gegeben
werden, die Totenruhe ihrer Verstorbenen zu verlängern. Indem sie das Grab für
die nächsten 30 Jahre abermals kaufen, was übrigens 21 000 Schilling (3000
DM ) kostet.“
    „So ein Blödsinn“, murrte Alma. „Wir
haben keinen einzigen Verwandten hier auf dem Friedhof. Poldi liegt in Watzelfurt.“
    „Ich weiß. Aber Oswald wollte nicht,
daß die Ruhestätte eines alten Freundes — der hier keine Hinterbliebenen mehr
hat — ausradiert wird. Deshalb beauftragte mich Ihr Sohn, dieses Grab für die
nächsten 30 Jahre zu kaufen. Das Geld dafür — und für meine Auslagen — hat
Oswald sich mit seiner Arbeit in der Strafanstalt verdient. Außerdem ist da
noch immer ein Betrag auf dem Sparbuch. Ich hab also mit den hiesigen Behörden
alles geregelt. Und hier sind die Quittungen für Oswald.“
    „Waaaas?“ In Almas Stimme war wieder
dieser keifige Ton. „Ist Oswald übergeschnappt?“ Ihr Runzelgesicht nahm eine
bläuliche Farbe an. „Welcher Freund — um Himmels willen?“

    „Bei dem Verstorbenen handelt es sich
um einen gewissen Baldur Flappe.“
    „Aber“, Alma kreischte, „das war doch
der Metzgermeister mit dem Speckgenick. Der ist schon 30 Jahre tot.“
    „Eben drum. Sonst würde ja niemand das
Grab antasten.“
    „Ich meine, Oswald war sieben Jahre
alt, als Flappe starb.“ Posnickel hob die Achseln. „Ihr Sohn sagte mir, er habe
herzliche Erinnerungen an Baldur Flappe. Der sei besonders freundlich zu ihm
gewesen. Habe ihm immer mal ein Wiener Würstchen geschenkt, ein Stück Sülzkopf
oder Kuhschwänze.“
    „Davon weiß ich nichts.“
    Posnickel seufzte. „Liebe Frau
Flinkfinger, wenn Sie meinen, daß Oswald sein Geld vergeudet hat, müssen Sie
das mit ihm abmachen. Ich hatte den Auftrag. Dessen habe ich mich entledigt.
Hier sind die Unterlagen. Und jetzt wird es höchste Zeit für mich. Vor morgen
früh ist noch viel zu tun.“
    Er stand auf.
    Gedankenverloren reichte Alma ihm die
Hand.
    Grobalsky brachte den Anwalt hinaus.
    „Guten Flug nach Kenia!“ Der Ganove
schloß die Tür.
    Einen Moment blieb er stehen und rieb
sich die Hände.
    Wahnsinn! Nur nichts anmerken lassen!
Das war’s. Dieser raffinierte Bursche! Hatte also klammheimlich mit seinem
Anwalt geredet, ohne daß er, Grobalsky, was merkte. Logo! Diese Heimlichkeit
hatte einen doppelten Boden.
    Jetzt weiß ich, wo der Schmuck
versteckt ist, dachte Grobalsky. An einem unheimlichen Ort, ja, in einem Grab.
Phantastisch! Ich komme dir zuvor, Oswald. Das Grab wird leer sein, wenn du
dich darum kümmerst. Heute nacht noch hole ich mir die Millionen-Klunkern.

7. Pauline und Sigismund
     
    Klößchens Mondgesicht war bleich.
    Tim klopfte seinem Freund auf die
Schulter und schob ihn dann vor sich her über die Schwelle in den großen,
tollen Wohnraum des Landhauses.
    Hinter Tim kam Pauline. Sie kniff ein
Auge halb zu, weil der Rauch aus ihrer Zigarette aufstieg und ihr ins Auge biß.
Gaby und Karl bildeten die Nachhut.
    „Guten Abend, Onkel Sigismund“, sagte
Klößchen. „Ich bin der Willi.“
    Nein, dachte Tim. Das darf nicht... Das
geht mir durch Mark und Bein. Da hat er den ganzen Tag den Oheim geübt, und
jetzt...
    „Ich hasse es“, brüllte Dr. Sigismund
Holmann, „wenn man mich so nennt. Das gute alte Wort ist Oheim! Oheim! Oheim!
Wie heißt das?“
    „Oheim.“ Klößchen krächzte. Er wagte
nicht, sich diesem knorrigen Hünen zu nähern.
    Tims Blick lief rasch durch den Raum.
    Holzgetäfelte Wände, ein riesiger
Kachelofen mit Holzbänken ringsum. Der Boden aus roten Fliesen mit dicken
Teppichen drauf — aber nichts Orientalisches, sondern derbe Gebrauchsware.
Bauernmöbel, Bauerngardinen. Und mittendrin der 76jährige in seinem weißen
Leinenhemd mit hochgerollten Ärmeln und einer karierten Hose, wie Amerikaner
sie tragen, wenn sie in Europa herumreisen.
    Der pensionierte Arzt war groß, knochig
und dürr. Er hatte einen imponierenden Schädel mit gewaltiger Hakennase und
englischem Schnurrbart. Der war so heiß wie der militärische Kurzhaarschnitt.
Aber das kräftige Gesicht — mit etwas Sonnenbrand — wirkte keineswegs alt oder
verbraucht.
    „Pauline!“ brüllte er. „Mach die
Zigarette aus!“
    „Ich denke nicht daran. Ich rauche,
solange ich will. Und wann ich Lust habe. Wenn dir das nicht paßt,
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