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Stille(r)s Schicksal

Stille(r)s Schicksal

Titel: Stille(r)s Schicksal
Autoren: Monika Kunze
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viel Zeit in Anspruch, so dass es manchmal schon später Nachmittag und wieder finster war, ehe er überhaupt einen Bissen zu sich genommen hatte.
    Wie aufs Stichwort hörte er ein knurrendes Geräusch aus seinem Bauch und verspürte richtigen Hunger.
    Nacheinander öffnete er alle Schranktüren, auch die vom Kühlschrank. Was er vorfand, enttäuschte ihn. Es gab einfach nicht mehr viel Essbares bei Stillers.. Selbst der Eierbehälter auf der Ablage in der Tür war leer. Was denn, nicht einmal mehr Eier? Verdammt!
    Hoffnungsvoll öffnete Sven den Brotkasten, hatte er nicht erst kürzlich welches gekauft? Tatsächlich! Im Inneren des Kastens lag noch ein Kanten von dem Mischbrot … Doch als er ihn in die Hand nahm, merkte er, dass das Ding knochenhart war. Vielleicht könnte man mit ein bisschen heißem Wasser … Doch während er noch so sinnierte, entdeckte er den Schimmel in der Mitte. Igittigitt.
    Nee, also soweit war er nun doch noch nicht gesunken. Mit kühnem Schwung warf er das Brot in den Müllkübel.
    War er schon klar genug im Kopf, um Auto zu fahren? Ach wird schon gehen, beruhigte er sich, es war ja nur ein Stückchen zu fahren.
     
    „ 67,49", sagte die Frau an der Kasse und sah an ihm vorbei. Sven wurde rot. Er hatte nicht mehr so viel, das wusste er ganz genau, dennoch kramte er geflissentlich in seiner Geldbörse herum. Aber es kamen nicht mehr als dreißig Euro zusammen. Wenn doch wenigstens das Arbeitslosengeld schon da wäre, dann würde der Automat schon wieder Geld ausspucken.
    „ O, ich habe gerade nicht so viel einstecken“, stammelte er, „nur so um die dreißig Euro, ob Sie den Rest wohl anschreiben könnten?"
    Sven bemühte sich, freundlich zu lächeln, auf sein attraktives Aussehen und die Wirkung seiner Grübchen hoffend.
    Doch Elvira Bender fand, dass der Stiller total heruntergekommen aussah - und die Grübchen ließen sie eher kalt. Bedauernd hob sie die Schultern.
    „ Sie wissen doch, Herr Stiller, dass wir das nicht dürfen!"
    Sogleich begann sie etliche Waren auszusortieren, als erstes stellte sie eine Flasche Gorbatschow neben die Kasse. Sven registrierte das mit hochgezogenen Brauen, wagte aber nicht zu protestieren. Ihre Blicke trafen sich, Sven schaute als erster zu Boden.
    Dabei traf sein Blick auf die Uhr, und er erschrak.
    Mist, er hatte die Besuchszeit verpasst!
    Doch genau so schnell, wie er sich aufgeregt hatte, beruhigte er sich auch wieder. Was soll´s, sagte er sich, dann werde ich eben morgen wieder zu Laura ins Krankenhaus fahren.
    Er wusste sowieso nicht, was er andauernd dort sollte.
    „ Die heult sowieso immer gleich los. . .", schimpfte er laut, und die Kassiererin Elvira Bender machte sich ihren eigenen Reim auf Sven Stillers Geisteszustand.
     

Was denn, Laura kann singen?
     
    Auf der Kinderstation des Krankenhauses war alles schon weihnachtlich geschmückt.
    Sven war mangels Geld und Gorbatschow nüchtern, deshalb registrierte er erstaunt, was man mit ein paar Zweigen, Tannenzapfen und bunten Kugeln alles zaubern konnte. Anne hätte das bestimmt auch gekonnt, dachte er in einem Anflug von Wehmut.
    In dem schummrigen Aufenthaltsraum saß eine Frau inmitten von Kindern auf weichen Kissen und sang mit ihnen. Auf den kleinen Tischen standen Kerzen, ihr Licht bildete tanzende Schatten an den Wänden. Sven fühlte sich in seine eigene Kindheit versetzt, da hatten sie in der Adventszeit auch viel gesungen … wenn der Vater nicht zu Hause gewesen war.
    Am liebsten hätte er sich jetzt mit dazu gesetzt, aber er musste ja erst einmal nach Laura sehen. Mein Gott, ob sie auch einmal so schön würde singen können? Ich glaube es nicht, gestand er sich seufzend ein und entfernte sich schweren Herzens von der fröhlichen Schar kleiner Sängerinnen und Sänger.
    Im Krankenzimmer angekommen, fand er Lauras Bett leer vor. Nur ihr einäugiger Teddy guckte traurig durch die Gitterstäbe. Na, die Laura wird doch nicht … schoss es ihm durch den Kopf.
    Heiß vor Scham wurde ihm plötzlich bewusst, dass er bei diesem Anblick zunächst so etwas wie Erleichterung gefühlt hatte, bevor Angst und Sorge sich meldeten.
    Die Ärztin trat ein, es war die selbe, mit der Sven von dem Tag an, da er seine Tochter hier abgegeben hatte, keinen guten Faden spinnen konnte. Mein Gott, die hatte auch ständig etwas zu nörgeln gehabt. Er warf ihr einen finsteren Blick zu.
    Doch heute, was für eine Überraschung!, strahlte sie ihn auf einmal an. Es war wirklich keine Spur mehr von
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