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Stiller Zorn: Roman (German Edition)

Stiller Zorn: Roman (German Edition)

Titel: Stiller Zorn: Roman (German Edition)
Autoren: James Sallis
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Abdullah Abded. Lew, du hast dich doch nicht mit denen eingelassen, oder?«
    »Bin bloß neugierig. Hab zwei von denen kennengelernt.«
    »Tja. War’s das?«
    »Das war’s.«
    »Vergiss nicht, dass du mir ein Abendessen und was zu trinken schuldest. Falls ich mal lang genug aus der Löwengrube hier rauskomme.«
    »Ich hab’s nicht vergessen, Don. Ruf mich an. Und danke noch mal.«
    Die Nacht war gerade angebrochen, und Block für Block gingen die Lichter an, als die Stadt ihre dunkle Maske überstreifte. In den nächsten paar Stunden würde es auf den Straßen ganz anders zugehen.
    Viel Geld, hatte Don gesagt. Überall die Finger drin. Ganz und gar nicht meine Kragenweite. Worauf, verflucht noch mal, hatte ich mich da bloß eingelassen?

7
    Inzwischen waren zwei Wochen vergangen, und ich hatte eine Ahnung, worauf ich mich eingelassen hatte, aber mit der Suche nach Corene Davis war ich noch kein Stück weitergekommen. Und möglicherweise würde ich auch nicht weiterkommen.
    Ich stand auf und kippte den restlichen Kaffee weg, zündete mir eine Zigarette an.
    Ich hatte das Gefühl, dass sie in New Orleans gelandet war. Eine Ahnung. Ich war dem schon öfter gefolgt und hatte dabei mindestens ebenso oft richtig-wie danebengelegen.
    Ich hatte meine Runden gedreht und das ausgeschnittene Bild rumgezeigt. Niemand hatte sie gesehen. Blackie und Au Lait hatten mich zweimal besucht. Sie hatten sie auch nicht gesehen.
    Verflucht noch mal, vielleicht war sie krank und nach wie vor in New York. Vielleicht war sie entführt worden. Oder sie war tot und lag vielleicht irgendwo in einem Lagerhaus.
    Immerhin hatte ich etwas über Corene Davis erfahren, auch wenn das in etwa das Einzige war, was ich zustande gebracht hatte. Schon komisch, wie wenig von unserem Leben übrig bleibt, sobald wir nicht mehr präsent sind, sobald wir in der Versenkung verschwinden. Eine Handvoll Fakten, Unternehmungen, Ungereimtheiten – das ist alles, was der Betrachter sieht. Eine leere Hülse.
    Sie war 1936 in Chicago geboren. Ihr Vater nahm jede Arbeit an, die er kriegen konnte – viel war’s nicht, dafür umso schwerer und schlecht bezahlt. Die Mutter war Hebamme, später Gemeindeschwester. Sie hatte ein Stipendium für die University of Chicago bekommen, war eine Art Studentenführerin geworden, war dann an die Columbia University übergewechselt, um ihren Abschluss zu machen, war weiter in der Protestbewegung aktiv gewesen und hatte gleichzeitig (was seinerzeit bei den höheren Semestern eher selten war) in der studentischen Selbstverwaltung mitgewirkt. Etwa um diese Zeit, so behauptete sie, sei sie vom FBI und angeblich auch von der CIA überwacht worden. Sie sah, wie von einem Telefonmast am Ende der Straße aus ihre Leitung angezapft wurde, und brachte den Jungs Eistee, als sie wieder runterkletterten. Aber erst als sie eine überarbeitete Version ihrer Diplomarbeit unter dem Titel In Ketten ins Verderben veröffentlicht hatte, war sie zu einer anerkannten Fürsprecherin der Schwarzen geworden. Man reichte sie von einer Talkshow zur andern weiter, lud sie auf Vortragsreisen ein, berichtete über sie (so als ob die verschiedenen Autoren völlig anderen Frauen begegnet wären) in fast allen Blättern, von Ebony bis zur New Republic , und mit der Zeit wurde sie zur Stimme ihres, unseres Volkes. Ein zweites Buch, über die Rechte der Frau, war in Arbeit. Sie war hellhäutig (»Sie könnte fast als Weiße durchgehen«, so drückte es ein Reporter aus), hatte kurz geschnittene Haare, war eins achtundsechzig groß, wog fünfzig Kilogramm, rührte weder Alkohol noch Zigaretten an, war Vegetarierin.
    Und sie konnte sich allem Anschein nach in Luft auflösen.
    Ich drückte die Zigarette im Topf der Zimmerpflanze aus, die LaVerne mir geschenkt hatte, und schaute auf meine Uhr. Zehn nach drei. Vielleicht sah morgen früh schon alles besser aus. Manchmal kam das vor.
    Ich ließ mir ein heißes Bad ein und wollte es mir gerade mit einem Glas Gin gemütlich machen, als das Telefon klingelte.
    »Wie geht’s Ihnen, Griffin?«, meldete sich eine Stimme.
    »Mann, für derlei Späße isses ’n bisschen spät. Ist das klar?«
    »Ihnen geht’s ziemlich gut, was?«
    »Bis mich irgendein Arschloch angerufen hat.«
    Der Sprecher schwieg einen Moment. Ein dumpfes Knistern war in der Leitung, so als ob irgendwo weit, weit weg Hexen verbrannten. Nach einer ganzen Weile meldete er sich wieder. »Sie suchen doch Corene Davis.«
    »Wer spricht da?«
    » Lassen Sie’s
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