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Stiller Zorn: Roman (German Edition)

Stiller Zorn: Roman (German Edition)

Titel: Stiller Zorn: Roman (German Edition)
Autoren: James Sallis
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sein .«
    Bis zum heutigen Tag weiß ich nicht, wer an diesem Abend am Telefon war. Aber ich kann mich noch genau an den Tonfall erinnern und an den Schauder, der mir hinterher über den Rücken lief, und ich weiß noch, dass ich den Gin austrank und mir ein neues Glas einschenkte, bevor ich wieder in die Wanne stieg.

8
    Könnte als Weiße durchgehen.
    Als ich um zehn aufwachte, ging mir dieser Satz ein ums andere Mal durch den Kopf. Ich hatte geträumt, dass mich irgendwelche Leute mit Messern durch eine enge Straßenschlucht jagten. Ein dicker irischer Cop schaute sich das Ganze an und erzählte alte Negerwitze. Mein Bettzeug war klatschnass geschwitzt.
    Ich zog mich aus und duschte, machte mir dann Kaffee, diesmal richtigen, und setzte mich an den Tisch in der Kochnische – alles aus pflegeleichtem Chrom und Resopal. Ich zündete mir eine Zigarette an. Könnte als Weiße durchgehen. Aber auf dem Bild wirkte sie ziemlich dunkelhäutig.
    Es gibt einen alten Roman aus den dreißiger Jahren, geschrieben von George Schuyler, einem Journalisten – Black No More , nie wieder schwarz, heißt er, und es geht darin um einen Wissenschaftler, der eine Creme erfindet, mit der Schwarze weiß werden können, und um das allgemeine Chaos, das daraus entsteht. Ich weiß noch, wie Papa früher, als ich noch ein Kind war, immer gegrinst hat, wenn einer seiner Freunde darauf zu sprechen kam. Und Mama sagte, sie würde mich verdreschen, wenn sie mich je damit erwischte. Damals dachte ich immer, es ginge um Schweinigeleien.
    Ich ging nach nebenan, nahm den Kaffee mit und wählte LaVernes Privatnummer. Allzu viele Hoffnungen machte ich mir nicht, aber den Versuch war’s wert. Als niemand abnahm, wählte ich eine der anderen Nummern, die sie mir gegeben hatte, und fragte nach ihr. Ich wusste, dass es sich um eine Bar handelte, in der sie nachmittags oft verkehrte und Freier aufgabelte, die es aus den schicken Hotels in Uptown runter ins French Quarter verschlagen hatte. Moment, sagte der Typ, der sich meldete, ich seh nach.
    Ich hatte den Kaffee ausgetrunken, als sie mit einem gurrenden »Ja, Schätzchen« den Hörer übernahm. Das Schätzchen hatte ein paar Silben mehr als üblich.
    »Lew hier. Hör mal –«
    »Was macht dein Vater?«
    »Auf Messers Schneide, sagt Mama. Es war ein Herzanfall.«
    »Fährst du rauf, Lew?«
    »Vielleicht später. Hör zu, ich muss dich mal was fragen.«
    »Wenn mir dazu was einfällt.«
    »Diese Nadie-Nola-Creme – nutzt die was?«
    »Die Mädels sagen ja. Hell, heiß und fast wie weiß.«
    Mir wurde mit einem Mal warm ums Kreuz, meine Haut kribbelte, als ob sich sämtliche Nerven aufstellten, und ich wusste, dass allmählich eins zum andern kam.
    »Danke, Verne. Wir reden später miteinander. Mach dich wieder an die Arbeit.«
    »Ich bin bei der Arbeit. Du solltest ihn mal sehn, wie er da drüben steht, mich anschaut und sich fragt, mit wem ich rede. Breit wie sonst was, und mit ’nem dicken Bündel Scheine, das nicht mal Sweet Betty in den Hals kriegt. Hat oben in Mississippi ein Bestattungsinstitut, sagt er. Muss mächtig Geld zu machen sein mit den Toten da oben in Mississippi.«
    »Überall.«
    Ich legte auf, und irgendwas kam mir kurz und heftig hoch, als ich an Angie dachte, ein halbwegs anständiges Mädchen, bis sie dem Stoff, Harry und ihrem Trübsinn verfiel. Die Kleine lebte jetzt bei ihren Eltern in der Nähe von Jackson. Sie musste inzwischen etwa zwei, drei Jahre alt sein. Und ich – was war aus mir geworden? Ich spürte, wie sich wieder der unbändige Hass in mir zusammenbraute.
    Es gab da mal einen Typ in Uptown, Richard hieß er. So normal wie nur was. Aber jedes Wochenende ist er losgezogen, in die Hotelbars und dergleichen, und hat reiche weiße Jungs aufgerissen – weil er was von ihnen will, denken die, aber sobald er mit ihnen allein ist, drischt er ihnen die Fresse ein. Ich habe mich oft gefragt, ob ich besser bin. Meine Frau war nicht der Meinung.
    Ich goss mir eine weitere Tasse Kaffee ein und trank sie aus, zog dann den Kochtopf aus der Dose und ging mein Auto suchen.
    Ich kenne einen Fotografen unten am Lee Circle, der billig ist, weder allzu viele Fragen stellt noch beantwortet und jederzeit einen dringenden oder schwierigen Auftrag erledigt, solange die Kohle stimmt. Ich klemmte den Cad in eine Parklücke vor seinem Laden und stieg aus. Er kam selber gerade an, stand mit dem Schlüssel in der Hand vor der Tür.
    »Hallo, Lew. Lange nicht gesehn, mein Guter.«
    »Milt.
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