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Stille Tage in Clichy

Titel: Stille Tage in Clichy
Autoren: Henry Miller
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Dann, fast ebenso rasch, schob sie meine Hand fort mit einem: «Assez, nous ne sommes pas seuls ici.»
    Wir schlürften gelassen unsere Getränke. Ich hatte es nicht eilig, sie zum Aufbruch zu drängen. Ich war viel zu sehr von ihrer Art zu sprechen entzückt, die nicht den geringsten Pariser Akzent hatte. Sie sprach ein reines Französisch, und für einen Ausländer wie mich war es ein Vergnügen, ihr zuzuhören. Jedes Wort sprach sie ganz deutlich aus, sie gebrauchte kein Patois, kaum einen umgangssprachlichen Ausdruck. Die Worte kamen zögernd, sorgfältig geformt über ihre Lippen, so als schmecke sie sie ab, ehe sie sie der Leere preisgab, in der Klang und Sinn sich so rasch verwandeln. Ihre wollüstige Trägheit befiederte ihre Worte mit einem zarten Flaum, wie Daunenbällchen schwebten sie an mein Ohr. Ihr Körper war üppig, erdhaft, aber die Laute, die aus ihrer Kehle drangen, waren wie klarer Glockenklang.
    Sie war sozusagen wie gemacht dafür, schien mir aber keineswegs eine abgebrühte Hure zu sein. Daß sie mit mir gehen und Geld dafür nehmen würde, das stand für mich fest - aber das macht eine Frau noch nicht zur Hure.
    Sie legte Hand an mich, und wie ein dressierter Seehund richtete mein Specht sich jubilierend unter ihrer zarten Liebkosung auf.

    «Beherrschen Sie sich», flüsterte sie, «es ist nicht gut, sich so rasch zu erregen.»
    «Gehen wir hier weg», schlug ich vor und winkte dem Kellner.
    «Ja», sagte sie, «gehen wir wohin, wo wir ungestört sprechen können.»
    Je weniger gesprochen wird, desto besser, dachte ich, während ich meine Sachen zusammenraffte und mit ihr auf die Straße hinausging. Ein wundervolles Hinterteil, stellte ich fest, als sie durch die Drehtür segelte. Ich sah sie bereits auf meinen Kleinen gespießt - ein frisches, kräftiges Stück Fleisch, das nur darauf wartete, sachgerecht bearbeitet zu werden.
    Als wir den Boulevard überquerten, sagte sie, wie froh sie sei, daß sie jemanden wie mich gefunden habe. Sie kenne niemanden in Paris, sie sei sehr einsam. Ob ich ihr vielleicht ein wenig die Stadt zeigen würde? Es wäre doch lustig, wenn einem ein Ausländer die Hauptstadt des eigenen Landes zeige. Ob ich schon in Amboise, in Blois oder Tours gewesen sei? Vielleicht könnten wir irgendwann einmal dahin fahren. «Ç a vous plairait?»
    Unter solchem Geplauder schlenderten wir weiter, bis wir zu einem Hotel kamen, das sie zu kennen schien.
    «Es ist sauber und behaglich hier», sagte sie. «Und wenn es auch ein wenig kalt ist, so werden wir uns doch im Bett gegenseitig wärmen.» Sie preßte liebevoll meinen Arm.
    Das Zimmer war so behaglich wie ein Nest. Ich wartete einen Augenblick auf Seife und Handtücher, gab dem Zimmermädchen ein Trinkgeld und schloß die Tür ab. Sie hatte den Hut und die Pelzkrawatte abgelegt und stand wartend am Fenster, um mich zu umarmen. Was für ein warmes, hingebungsbereites Stück Fleisch! Sie würde sich gewiß schon bei der ersten Berührung von mir ergießen. Gleich darauf begannen wir uns auszuziehen. Ich setzte mich auf den Bettrand, um meine Schuhe aufzuschnüren. Sie stand neben mir und streifte ihre Sachen ab. Als ich aufsah, hatte sie nur noch die Strümpfe an. Sie stand da, als warte sie darauf, daß ich sie aufmerksamer in Augenschein nehme. Ich stand auf und legte wieder die Arme um sie, ließ meine Hände genießerisch über ihre schwellenden Formen gleiten. Sie wand sich aus meinen Armen, schob mich ein wenig von sich und fragte verschämt, ob ich nicht etwas enttäuscht von ihr sei.
    «Enttäuscht?» fragte ich. «Wie meinst du das?»
    «Findest du mich nicht zu dick?» fragte sie, senkte ihren Blick und betrachtete ihren Nabel.
    «Zu dick? Aber du bist wundervoll. Du bist wie ein Renoir.»
    Sie errötete. «Renoir?» wiederholte sie, so als hätte sie den Namen noch nie gehört. «Du machst dich über mich lustig.»
    «Na, lassen wir's. Komm her, laß mich dein Kätzchen streicheln.»
    «Warte, ich bin noch nicht soweit.» Damit ging sie zum Bidet und sagte: «Geh schon ins Bett. Mach es kuschelig und warm für uns, ja?»
    Ich zog mich rasch aus, wusch mir höflich den Schwanz und kroch unter die Decke. Das Bidet stand direkt neben dem Bett. Als sie ihre Waschungen beendet hatte, trocknete sie sich mit dem dünnen, fadenscheinigen Handtuch ab. Ich lehnte mich hinüber und spielte mit ihrem krausen Vlies, das noch etwas betaut war. Sie drängte mich ins Bett zurück, beugte sich über mich und tauchte mit ihrem warmen
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