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Stille Nacht

Stille Nacht

Titel: Stille Nacht
Autoren: Mary Higgins Clark
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sie
wegzuwischen. Hätte er seine Hand bewegt, dann hätte Jimmy
es bemerkt und gewußt, daß er wach war, und vorläufig mußte
er sich weiterhin schlafend stellen.
    Statt dessen umklammerte er die Christophorus-Medaille um
so fester und richtete seine Gedanken darauf, wie es sein würde,
wenn Dad wieder nach Hause durfte und sie dann ihren eigenen
Weihnachtsbaum aufstellten und die Geschenke aufmachten.
Unmittelbar bevor sie nach New York aufgebrochen waren,
hatte Mrs. Emerson, die Frau von nebenan, noch
vorbeigeschaut, um auf Wiedersehen zu sagen, und er hatte sie
zu seiner Mom sagen hören: »Catherine, ganz egal, wann es
soweit ist, aber an dem Abend, wenn ihr euren Christbaum
aufstellt, kommen wir jedenfalls alle rüber und singen
Weihnachtslieder unter eurem Fenster.«
    Dann hatte sie Brian umarmt und gesagt: »Ich weiß, was dein
Lieblingslied ist.«
»Stille Nacht.« Er hatte es letztes Jahr in der Schule bei der
Weihnachtsfeier der ersten Klasse ganz alleine gesungen.
Brian versuchte es sich jetzt selbst vorzusingen, nur in seinem
Kopf…, aber er kam einfach nicht über »Stille Nacht« hinaus.
Wenn er nämlich weiterhin daran dachte, dann würde es ihm
bestimmt nicht mehr gelingen, vor Jimmy zu verbergen, daß er
weinte.
Dann schreckte er beinahe heftig auf. Jemand im Radio redete
eben wieder über Jimmy und ihn. Der Mann sagte, ein State
Trooper aus Vermont sei überzeugt, Jimmy Siddons und einen
kleinen Jungen in einem alten Dodge oder Chevrolet an einer
Raststätte an der Route 91 in Vermont gesehen zu haben, und
daß man jetzt die Suche in der Gegend konzentrieren werde.
Jimmys schadenfrohes Lächeln schwand so schnell, wie es
gekommen war. Die erste Welle der Erleichterung auf die
Nachrichtendurchsage hin wich sofort neuer Skepsis. Hatte denn
irgendein Tropf behauptet, er hätte sie in Vermont gesehen?
fragte er sich. Es war immerhin möglich, entschied er. Als er
sich damals in Michigan versteckt hielt, schwor irgendein
Nichtsnutz von Herumtreiber darauf, er hätte Jimmy in
Delaware gesehen. Nachdem er dann bei dem
Tankstellenüberfall erwischt und wieder nach New York
zurückgeschafft worden war, fand er heraus, daß die Marshalls
noch monatelang in Delaware nach ihm gefahndet hatten.
Aber wie auch immer, die Fahrerei auf der Schnellstraße
wurde ihm allmählich unheimlich. Die Straße war gut, und er
sparte Zeit, aber je näher man der Grenze kam, um so mehr
Troopers waren hier zu erwarten. Er beschloß, zur Route 20
hinüberzuwechseln, sobald er bei der nächsten Abzweigung
rausge fahren und den Jungen losgeworden war. Jetzt, wo es
nicht mehr schneite, sollte er dort eigentlich ebensogut
vorankommen können.
Folge deiner inneren Stimme, sagte sich Jimmy im stillen.
Das einzige Mal, als er es nicht getan hatte, war damals
gewesen, als er den Tankstellenüberfall unternahm. Er konnte
sich noch gut erinnern, wie ihn damals eine Eingebung gewarnt
hatte, daß irgend etwas faul war.
Nun ja, wenn das erst vorbei ist, gibt’s keinen Ärger mehr,
dachte er mit einem Blick zu Brian hinunter. Als er dann wieder
aufschaute, mußte er grinsen. Das Schild, das gerade vor ihm
aufleuchtete, lautete: AUSFAHRT 42, GENEVA, NOCH 1500
METER.
    Chris McNally war an dem Auffahrunfall an der Ausfahrt 41
vorbeigefahren. Zwei Polizeiwagen waren bereits zur Stelle,
weshalb er zu dem Schluß kam, es sei nicht nötig für ihn,
anzuhalten. Er war schnell gefahren und hoffte daher,
irgendwelche Wagen, die direkt vor ihm bei McDonald’s
gestanden hatten, mittlerweile eingeholt zu haben.
Vorausgesetzt natürlich, daß sie nicht eine der hinter ihm
liegenden Ausfahrten genommen hatten.
    Ein brauner Toyota. Das war es, wonach er hartnäckig die
Augen offenhielt. Ihn zu finden, war die einzige Chance. Das
wußte er. Was war nur mit dem Kennzeichen gewesen? Er
knirschte mit den Zähnen, als er wieder einmal angestrengt
versuchte, sich zu erinnern. Da war doch etwas Besonderes
daran gewesen… Denk nach, verflucht, sagte er sich, denk nach.
    Er glaubte keine Sekunde an den Bericht, daß Siddons und der
Kleine in Vermont gesichtet worden seien. All seine Instinkte
sagten Chris, daß die beiden hier in der Nähe waren.
    Ausfahrt 42 nach Geneva lag nicht weit vor ihm. Das
bedeutete, daß es nur noch etwa hundertsechzig Kilometer bis
zur Grenze waren. Die meisten der Wagen fuhren jetzt zwischen
achtzig und hundert Kilometer pro Stunde. Wenn Jimmy
Siddons hier in der Nähe
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