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Stille Nacht

Stille Nacht

Titel: Stille Nacht
Autoren: Mary Higgins Clark
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Telefon
läutete und der Anruf aus dem St. Mary’s Hospital kam.
»Catherine, kannst du sofort rüberkommen? Tom ist
zusammengebrochen, während er seinen Rundgang gemacht
hat.«
    Ihr unmittelbarer Eindruck zu jenem Zeitpunkt war, daß es
sich um einen Irrtum handeln mußte. Schlanke, athletische,
achtunddreißigjährige Männer brechen nicht einfach zusammen.
Und Tom scherzte doch immer darüber, daß Kinderärzte von
Haus aus gegen all die von ihren Patienten angeschleppten Viren
und Bakterien resistent seie n.
    Aber Tom war nicht gegen die Leukämie resistent, welche die
sofortige Entfernung seiner enorm vergrößerten Milz
erforderlich machte. Im Krankenhaus berichteten sie ihr, er
müsse schon seit Monaten Warnzeichen ignoriert haben. Und
ich war zu dumm, es zu bemerken, dachte Catherine, während
sie das Zittern ihrer Lippen zu unterdrücken versuchte.
    Sie blickte aus dem Fenster und sah, daß sie gerade am Plaza
Hotel vorbeifuhren. Elf Jahre zuvor, an ihrem
dreiundzwanzigsten Geburtstag, hatten sie im Plaza ihren
Hochzeitsempfang abgehalten. Bräute sollten eigentlich nervös
sein, dachte sie. War ich aber nicht. Ich bin damals praktisch auf
ihn zugerannt.
    Zehn Tage später hatten sie dann ein bescheidenes
Weihnachten in Omaha gefeiert, wo Tom in der angesehenen
Kinderstation des Krankenhauses eine Stellung angenommen
hatte. Wir haben uns diesen verrückten künstlichen Baum im
Ausverkauf besorgt, dachte sie bei der Erinnerung daran, wie
Tom ihn hochgehalten und verkündet hatte: »Alle mal herhören,
Kmart-Kunden… «
    Dieses Jahr aber stand der Baum, den sie so sorgfältig
ausgewählt hatten, noch mit zusammengebundenen Ästen in der
Garage. Sie hatten beschlossen, für die Operation nach New
York zu gehen. Toms bester Freund, Spence Crowley, war
mittlerweile ein prominenter Chirurg in der Klinik SloanKettering.
    Catherine zuckte bei dem Gedanken daran zusammen, wie
verstört sie gewesen war, als sie endlich die Erlaubnis erhielt,
Tom zu sehen.
Das Taxi hielt am Bordstein. »Hier okay, Lady?«
     
»Ja, ist gut so«, sagte Catherine in erzwungen heiterem
    Tonfall, während sie ihr Portemonnaie hervorholte. »Dad und
ich haben euch beide vor fünf Jahren am Weihnachtsabend
hierher mitgenommen. Brian, ich weiß, du warst noch zu klein,
aber Michael, kannst du dich noch erinnern?«
    »Ja«, erwiderte Michael knapp und machte sich am Türgriff
zu schaffen. Er beobachtete, wie Catherine einen Fünf-DollarSchein von dem Notenbündel in ihrem Portemonnaie abschälte.
»Wieso hast du eigentlich so viel Geld dabei, Mom?«
    »Als Dad gestern im Krankenhaus aufgenommen wurde,
haben sie verlangt, daß ich bis auf ein paar Dollar alles, was er
in seiner Brieftasche hatte, mitnehme. Ich hätte es aussortieren
sollen, als ich wieder bei Gran zu Hause war.«
    Sie folgte Michael auf das Trottoir hinaus und hielt Brian die
Wage ntür auf. Sie waren vor dem Kaufhaus Sak’s, unweit der
Ecke Neunundvierzigste Straße und Fifth Avenue. Ordentlich
aufgereihte Zuschauer warteten geduldig darauf, die
Weihnachtsdekoration der Schaufenster aus der Nähe
bewundern zu können. Catherine steuerte ihre Söhne auf das
Ende der Schlange zu. »Schaun wir uns erst mal die
Schaufenster an, dann gehen wir über die Straße und
verschaffen uns einen besseren Blick auf den Baum.«
    Brian seufzte tief. Das war vielleicht ein Weihnachten! Er
haßte es, anzustehen - egal wofür. Er beschloß, das Spiel zu
spielen, auf das er sich immer einließ, wenn er wollte, daß die
Zeit rasch vorüberging. Er tat dann nämlich einfach so, als wäre
er bereits dort, wo er sein wollte, und heute abend hieß das dort
im Zimmer, wo sein Dad im Krankenhaus war. Er konnte es
kaum erwarten, seinen Dad zu besuchen, ihm das Geschenk zu
überreichen, von dem seine Großmutter behauptet hatte, es
werde ihn wieder gesund machen.
    Brian war so darauf versessen, den Abend voranzutreiben,
daß er, als sie endlich an die Reihe kamen, die Schaufenster von
nahem zu begutachten, schnell nach vorne trat und die Szenerien
mit den wirbelnden Schneeflocken und den tanzenden und
singenden Puppen und Elfen und Tieren kaum wahrnahm. Er
war froh, als sie endlich die Menschenschlange hinter sich
ließen.
    Als sie dann jedoch auf die Straßenecke zugingen, um die
Avenue zu überqueren, sah er, daß gerade ein Mann mit einer
Geige Anstalten machte, zu spielen, und sich immer mehr Leute
in seinem Umkreis ansammelten. Mit
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