Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Stille Nacht

Stille Nacht

Titel: Stille Nacht
Autoren: Mary Higgins Clark
Vom Netzwerk:
hatte, der da vorhin Geige
gespielt hatte. Er würde sich Wechselgeld besorgen und seine
Großmutter anrufen, und sie konnte dann einen Cop
herschicken, der den Geldbeutel seiner Mom wieder
zurückholen würde.
    Das ist ein guter Plan, sagte er sich. Er war sich dessen sogar sicher. Er mußte einfach den Geldbeutel kriegen, und die
Medaille, die dort drin war. Er dachte an den Moment, als Mom
behauptet hatte, die Medaille werde ja doch nicht helfen, und
Gran sie dann in die Hand nahm und sagte: Bitte, gib sie Tom
und hab Vertrauen.
    Der Gesichtsausdruck seiner Großmutter war so ruhig
gewesen und so voller Sicherheit, daß Brian wußte, daß sie recht
hatte. Sobald er erst die Medaille wiederhatte und sie sie Dad
dann gaben, würde er bestimmt wieder gesund. Brian wußte es
einfach.
    Die Frau mit dem Pferdeschwanz ging jetzt noch rascher. Er
jagte hinter ihr her, als sie eine Straße überquerte und bis zum
Ende eines neuen Straßenblocks weiterlief. Dann ging sie rechts
um die Ecke.
    Die Straße, auf der sie jetzt waren, war nicht so hell von
geschmückten Schaufenstern wie die, aus der sie gerade
gekommen waren. Einige Gebäude waren mit Brettern
vernagelt, und es stand eine Menge Zeug an den Hauswänden
geschrieben, und einige der Straßenlampen waren kaputt. Ein
Typ mit einem Bart saß auf dem Bordstein und hielt eine
Flasche fest. Er streckte die Hand nach Brian aus, als er an ihm
vorbeilief.
    Zum erstenmal hatte Brian Angst, aber er blickte unbeirrt auf
die Frau vor ihm. Der Schnee fiel jetzt schneller, und der
Bürgersteig fing an, rutschig zu werden. Einmal stolperte er,
doch er konnte gerade noch verhindern, daß er hinfiel. Er geriet
außer Atem, so sehr mußte er sich abmühen, mit der Lady
Schritt zu halten. Wie weit lief sie wohl noch? fragte er sich.
Vier Straßen weiter erhielt er die Antwort. Sie trat in den
Eingang eines alten Gebäudes, steckte ihren Schlüssel in das
Schloß und ging hinein. Brian stürzte los, um die Tür
abzufangen, bevor sie zufiel, aber er kam zu spät. Die Haustür
war ins Schloß gefallen.
    Brian wußte nicht, was er jetzt tun sollte, doch dann sah er
durch die Glasscheibe einen Mann auf sich zukommen. Als der
Mann die Haustür öffnete und an ihm vorbeieilte, schaffte es
Brian, danach zu greifen und sich geduckt hineinzuwerfen,
bevor sie wieder zuging.
    Der Hausflur war dunkel und schmutzig, und der Geruch
abgestandenen Essens hing in der Luft. Vor sich konnte er
hören, wie jemand die Stufen hinaufging. Brian schluckte
schwer, um seine Angst niederzukämpfen, und begann dann
langsam und möglichst, ohne Lärm zu machen, zum ersten
Treppenabsatz hinaufzusteigen. Er würde feststellen, wohin die
Frau gega ngen war; dann würde er machen, daß er rauskäme,
und ein Telefon suchen. Vielleicht würde er, anstatt Gran
anzurufen, einfach die Notrufnummer wählen, überlegte er.
    Seine Mom hatte ihm beigebracht, das solle er tun, wenn er
einmal wirklich Hilfe brauchte.
Was bis jetzt nicht der Fall war.
»Also gut, Mrs. Dornan. Beschreiben Sie mir Ihren Sohn«, sagte
der Polizeibeamte besänftigend.
    »Er ist sieben und klein für sein Alter«, berichtete Catherine.
Sie konnte hören, wie schrill ihre Stimme klang. Sie saßen jetzt
in einem Streifenwagen, der vor dem Kaufhaus Sak’s in der
Nähe der Stelle, wo der Geiger gespielt hatte, geparkt war.
    Sie spürte, wie Michael nach ihrer Hand faßte, um sie zu
beruhigen.
»Welche Haarfarbe?« fragte der Beamte.
Michael antwortete: »Wie meine. Ein bißchen rötlich. Seine
Augen sind blau. Er hat Sommersprossen, und einer von seinen
Vorderzähnen fehlt. Er hat dieselben Hosen an wie ich, und sein
Anorak ist wie meiner, bloß daß er blau ist und meiner grün. Er
ist dünn.«
Der Polizist schaute Michael anerkennend an. »Du bist eine
große Hilfe, Sohn. Also, Ma’am, Sie sagen, daß Ihr
Portemonnaie weg ist? Glauben Sie, daß es Ihnen vielleicht
runtergefallen ist, oder hat Sie irgend jemand gestreift? Ich
meine, könnte es ein Taschendieb gewesen sein?«
»Ich weiß nicht«, sagte Catherine. »Ich mache mir nichts aus
dem Portemonnaie. Aber als ich den Jungen Geld für den Geiger
gegeben habe, da hab ich’s vermutlich nicht tief genug in meine
Tasche zurückgesteckt. Es war ziemlich dick und ist vielleicht
einfach rausgefallen.«
»Ihr Sohn könnte es nicht einfach aufgehoben und dann
beschlossen haben, einkaufen zu gehen?«
»Nein, nein, nein«, sagte Catherine auf
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher