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Stieber - Der Spion des Kanzlers Roman

Titel: Stieber - Der Spion des Kanzlers Roman
Autoren: Wolfgang Brenner
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schossen Saint-Denis in Schutt und
     Asche. Noch in der Nacht wurde von Stiebers Agenten ein Parlamentär angekündigt. Es handelte sich um den Vizepräsidenten und
     Außenminister der bürgerlichen Regierung, Jules Favre, den Stieber bei sich einquartierte, um ihn unbemerkt überwachen zu
     können. Vom Nebenzimmer aus verfolgte Stieber jedes Wort der Beratung zwischen Favre und seinem mitreisenden Schwiegersohn
     Martinez del Roi. Während die ausgehungerten Franzosen frühstückten, ließ Stieber unter ihrem Fenster eine Schafherde vorbeitreiben,
     damit die Unterhändler verstanden, wie gut es den Deutschen in ihren Belagerungsstellungen ging.
    Am 28.   Januar 1871 kapitulierte Paris, Jules Favre unterzeichnete einen Waffenstillstand – nach 132   Tagen Belagerung. Als die Vorhut über die Wälle der Pariser Forts in die Stadt einrückte, ließ Stieber zivile Geiseln (Stadträte,
     Kaufleute, Redakteure, Geistliche) vorneweg marschieren, um Tretminen und Anschlägen zu entgehen.
    Stieber wurde zum Chef der gesamten Verkehrsüberwachung gemacht – ein zentrales Amt angesichts des riesigen Proviantbedarfes
     der ausgehungerten Stadt. Außerdem mußte er noch die Entschädigungen der aus Frankreich vertriebenen Deutschen eintreiben.
    Am 10.   Mai 1871 – Stieber ist längst wieder in Berlin – wurde in Frankfurt von Bismarck und Außenminister Jules Favre der Friedensvertrag
     unterzeichnet, der die Abtretung von Elsaß-Lothringen an Deutschland und die Zahlung von fünf Milliarden Francs Reparationen
     festschrieb. Bis diese Summe bezahlt war, blieben deutsche Besatzungstruppen in Frankreich. Diese Garantietruppen leisteten
     der bürgerlichen französischen Regierung unter Adolphe Thiers wertvolle Dienste bei der Niederschlagung der Kommune.
    Aus Enttäuschung über die Bedingungen des Waffenstillstandes vom 28.   Januar 1871 und über die trotz der Ausrufung der Republik fortdauernden sozialen Ungerechtigkeiten erhoben sich Arbeiter,
     Kleinbürger und Intellektuelle und rissen für kurze Zeit die Macht in Paris an sich. Vor allem die Entwaffnung der Nationalgarde
     durch die Regierung am 18.   März 1871 schürte den Aufstand. Der Rat der Kommune übernahm die Macht in der Stadt. Bei der anschließenden Rückeroberung der Stadt
     durch französische und deutsche Truppen wurden 25000   Kommunarden getötet. 40   000   Menschen wurden nach Nordafrika und Neukaledonien deportiert.
    Am 17.   März 1871 verließ Stieber im Gefolge des neuen Kaisers Paris und kehrte nach Berlin zurück, wo er sich wieder den Geschäften seines
     »Nachrichtenbureaus« widmete. Dieses so betulich nach redaktionellem Handwerk klingende »Central-Nachrichten-Bureau« baute
     Stieber in den folgenden Jahren zum ersten durchorganisierten deutschen Geheimdienst aus, einem staatlichen Großunternehmen,
     das richtungsweisend für ähnliche Einrichtungen unseres Jahrhunderts wurde. Innenpolitisch war er in den Jahren nach dem Krieg
     vor allem mit der Ausforschung der Sozialdemokraten beschäftigt, seine Erkenntnisse flossen maßgeblich in die ab 1874 stattfindenden Verfahren wegen reichsfeindlicher Äußerungen ein.
    Stiebers Spionagezentrale war aber auch ein Exportschlager. Als der russische Zar (für den Stieber schon ab 1858 mit Bismarcks Wissen beratend und operativ tätig war, indem er den Auslandszweig der politischen Geheimpolizei Ochrana reformierte
     sowie nach Exilrussen fahndete und für die Sicherheit des Zaren im Ausland sorgte) imZuge einer neuen panslawistischen Politik zur Befreiung der Balkanchristen von der islamischen Herrschaft Ende der siebziger
     Jahre den russisch-türkischen Krieg vorbereitete, wollte er sich in jeder Hinsicht rückversichern und bat Stieber nach Moskau,
     um dort einen effizienten Kriegsspionagedienst nach deutschem Muster aufzubauen. Der aber mußte ablehnen, weil er zu dieser
     Zeit schon schwer erkrankt war.
    Wilhelm Johann Carl Eduard Stieber starb am 29.   Januar 1882 im Alter von 63   Jahren.
     
    Wolfgang Brenner
, 1996

Informationen zum Buch
    Paris im März 1871.   Deutsche Truppen haben die Stadt besetzt. Die Bevölkerung ist hungrig und unzufrieden, es herrscht eine revolutionäre Stimmung.
     In dieser explosiven Atmosphäre wird im Bois de Boulogne eine vergiftete Leiche gefunden. Das Opfer: ein französischer Partisan.
     Anfangs nur an der Aufklärung des Mordes interessiert, bemerkt der Ermittler der französischen Mordkommission, Inspektor Lamartine,
     aber bald, daß
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