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Stieber - Der Spion des Kanzlers Roman

Titel: Stieber - Der Spion des Kanzlers Roman
Autoren: Wolfgang Brenner
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zur Stelle
     und nahm die Verfolgung auf, es kam zu einem Handgemenge, Berezowski nahm ein Mädchen als Geisel, verschanzte sich in einem
     Gebäude, gab aber gegen Morgen erschöpft auf.

 
     
    8.   Der Höhepunkt: Siegreich wollen wir Frankreich schlagen
     
    Stieber wurde »rehabilitiert« – aber er wütete, als die Franzosen den Attentäter Berezowski auf freien Fuß setzten, weil er
     in der Haft einem Gefängnisdirektor das Leben gerettet haben soll. Immerhin verlieh Zar Alexander II. dem preußischen Geheimdienstchef
     den Stanislausorden mit Stern. Stieber trug ihn voller Stolz – die Auszeichnung tröstete ihn über ein negatives Grunderlebnis
     seines Lebens hinweg: Stieber quälte es ungeheuer, wenn er höheren Ortes mit seinen Warnungen und Prognosen nicht ernst genommen
     wurde. Trotz seiner unbestreitbaren Erfolge litt er unter der heimlichen Mißachtung seiner Profession durch die Politik. Der
     Ton in seinen persönlichen Aufzeichnungen wird geradezu bitter, wenn er auf die vielen wirklichen und vermeintlichen Zurücksetzungen
     zu sprechen kommt, die er durch die erfahren hat, für deren politisches Fortkommen er sein Leben lang gearbeitet hat. Die
     in manchen Passagen schonungslose Offenlegung aller Umstände seiner Operationen scheint nur einen einzigen Zweck zu verfolgen:
     Stieber wollte mit seinen geheimdienstlichen Erfahrungen an die Öffentlichkeit, um sich vom Stigma dessen, der im Dreck wühlt
     und für andere die Schmutzarbeit macht, zu befreien.
    Die Mißtöne in Paris waren nicht nur durch Reibungen zwischen Stieber und dem Polizeipräfekten entstanden, sie hatten ihre
     Ursachen in einer Verschlechterung der politischen Großwetterlage. Bismarck hatte Frankreich für sein Stillhalten während
     des Feldzuges gegen Österreich großspurige Versprechungen gemacht: Es sollte linksrheinische Gebiete (Teile der preußischen
     Rheinprovinz und der Pfalz) erhalten sowie das Großherzogtum Luxemburg (seit der Liquidation des Deutschen Bundes selbständig)
     und Teile Belgiens.
    Als erster Mann des am 1.   7.   1867 gegründeten Norddeutschen Bundes sah sich Bismarck aus Prestigegründen nicht mehr in der Lage, diese Versprechungen einzuhalten:
     Er mußte auf das gute Auskommen der deutschen Staaten untereinander bedacht sein und sich auch den ehemals verfeindeten süddeutschen
     Staaten gegenüber entgegenkommend zeigen. Unbedachte Gebietsaufgaben hätten das Mißtrauen gegen die neue Hegemonialmacht Preußen
     nur verstärkt. Zudem hatte sich Frankreich nach dem Ende des Deutschen Krieges vehement gegen eine Vereinigung
aller
deutscher Staaten gewandt, Gebietsabtretungen an Paris hätten alle großdeutschen Einigungsbefürworter deshalb als Verrat angesehen
     – und ein großdeutscher Bund aller Staaten war schließlich langfristig Bismarcks Ziel.
    Wie schon vor dem deutsch-österreichischen Krieg verfolgte Bismarck auch diesmal eine Politik der vorauseilenden Konfliktschaffung:
     Noch ehe Frankreich sich wegen der nichteingehaltenen Versprechungen gegen Preußen wenden konnte, wollte er eine Entscheidung
     zwischen den beiden Großmächten herbeiführen, und wie im Falle Österreich handelte er nach der Maxime: Wenn schon ein Krieg
     unvermeidbar ist (was er in Bismarcks Verständnis auch beim kleinsten Konflikt war), so sollte er geführt werden, solange
     Preußen ihn gewinnen konnte. (Jacob Burckhardt sprach in diesem Zusammenhang von einer damals in Europa weitverbreiteten »Psychose
     von der Unvermeidbarkeit des Krieges«, die durch den »bewaffneten Frieden« nach dem Deutschen Krieg genährt wurde.)
    Also wurde Stieber 1867 erneut nach Paris geschickt. Diesmal in geheimer Mission – mit dem Ziel, Frankreich im großen Stil (nach dem österreichischen
     Muster) auszuspionieren und schnellstens Informationen über den Stand der französischen Waffentechnik zu beschaffen, insbesondere
     über die Leistungen des neuen französischen Chassepotgewehres und der legendären Kugelspritze »Mitrailleuse«.Aus Gründen der Geheimhaltung wurde die großangelegte Aktion nicht aus offiziellen Verteidigungsmitteln, sondern aus dem Reptilienfonds
     des entflohenen Königs von Hannover bestritten.
    Stieber fand nicht nur schnell heraus, daß das neue gefürchtete Maschinengewehr erhebliche Funktionsschwächen aufwies (so
     zum Beispiel 370   Schuß pro Minute auf den gleichen Punkt abgab, sich also als Feldhaubitze nicht verwenden ließ), sondern auch, daß eine baugleiche
     Version des
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