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Stieber - Der Spion des Kanzlers Roman

Titel: Stieber - Der Spion des Kanzlers Roman
Autoren: Wolfgang Brenner
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französischen Partisanen, der auf deutsche Truppen geschossen hatte,
     ohne Verhandlung aufhängen undseine Leiche drei Tage mitten im Ort als Abschreckung baumeln. Der sonst so penible Protestant ließ Kirchturmtreppen zerstören,
     um zu verhindern, daß die antipreußischen Geistlichen mit Glockenläuten Nachrichten an den Feind weitergaben. Besonders beunruhigte
     Stieber, daß in Pariser Zeitungen eine »Volks-Subscription« betrieben wurde, bei der schon vier Millionen Franc Handgeld für
     potentielle Attentäter auf Wilhelm oder Bismarck gesammelt worden waren.
    Stiebers Spitzel berichteten von allen Bewegungen der Franzosen, von Offizieren, die per Aushang ihre Truppenteile suchten,
     von Generälen, die in Telegrammen Paris um Sold für ihre Leute anbettelten, von detaillierten Kampfstärken und der Kampfmoral.
     Selbst der kritische Bismarck war begeistert: Noch nie in der Geschichte habe ein kriegsführendes Land über einen so fortlaufenden
     Strom an Geheimwissen über seinen Gegner verfügt, lobte er Stieber vor versammeltem Stab, der mittlerweile bei den Lagebesprechungen
     an den Lippen des Geheimdienstchefs hing.
    Am 25.   August 1870 befand sich das deutsche Hauptquartier in Bar-le-Duc, am 27.   August zog es nach Clermont in die Berge um, am 1.   September 1870 nach La Vandresse. Am 4.   August hatte bayrische Infanterie bei Weißenburg eine Schlacht gewonnen, am 6.   August wurde bei Wörth und auf den Spicherer Höhen gekämpft, dann um die Festung Metz, am 18.   August um Gravelotte – alle Schlachten wurden von den Deutschen für sich entschieden.
    Der französische Stabschef General Mac Mahon zog sich in den Norden zurück, in der Nacht zum 31.   August 1870 rettete er sich mit 180   000   Soldaten in die französische Festung 2.   Ranges Sedan. Von Frénois aus beschossen die deutschen Krupp-Hinterlader-Kanonen die kleine, enge Stadt. Französische
Chasseurs d’Afrique
versuchten auszubrechen und wurden niedergemacht oder stürzten sich in den Steinbrüchen zu Tode. Ein Parlamentär, der von
     König Wilhelm in die Stadt geschickt wird, um den Franzosen die Kapitulation nahezulegen, wird vom kranken Kaiser Napoleon
     III. persönlich empfangen und zurückgeschickt. Napoleon soll in seiner Verzweiflung stark geschminkt auf den Wällen auf und
     ab geritten sein, um den Tod durch eine preußische Kugel zu suchen. Als selbst das mißlang, schickte er seine Unterhändler
     zu den Deutschen.
    Die Kapitulationsurkunde vom 2.   9.   1870 besagte, daß über 100   000   Soldaten in Gefangenschaft kamen, Elsaß und Lothringen anDeutschland gingen und Frankreich fünf Milliarden Francs Kriegskostenentschädigung an Deutschland zu zahlen hatte. (Pikanterweise
     wurden die Reparationsmodalitäten auf deutscher Seite später von dem Industriellen Henckel-Donnersmarck und dem Bankier Bleichröder
     ausgehandelt – jenem Vertrauten Bismarcks, dessen Bank die astronomischen Pariser Zahlungen auch durch Kredite finanzierte.)
    Als der preußische König angesichts der Leichenberge über die Kriegsschuldigen sinnierte, regte Bismarck die Einrichtung eines
     Welttribunals an, eines internationalen Kriegsgerichts, das die »Verbrecher abzuurteilen« habe, »welche diesen Krieg angefangen   ...« Während die hohen Herren derart über Schuld und Sühne räsonierten, mußte Stieber die Drecksarbeit machen: Unter Gewaltandrohung
     rekrutierte er Leute aus der Gegend als Totengräber, die die verwesenden Toten   – Deutsche und Franzosen – in den Steinbrüchen verscharren mußten.
    Anschließend sicherte er mit seinen Leuten den Abtransport und die notdürftige Versorgung der weit über 100   000   Kriegsgefangenen und begann noch in der Nähe des Kriegsschauplatzes mit den Verhören der festgesetzten Franzosen. Als Stieber
     den etwa 1000 französischen Offizieren freien Abzug zusicherte, sofern sie ihr schriftliches Ehrenwort abgaben, sich nicht
     weiter am Krieg gegen Deutschland zu beteiligen, meldeten sich noch nicht einmal 100 – was den obersten Feldgendarmen offensichtlich
     sehr beeindruckte. Obwohl er kein Soldat war, war er Zeit seines Lebens ein Bewunderer der »Soldatenehre«.
    Weniger soldatisch verhielt er sich, wenn es um Sicherheitsinteressen ging: Als belgische Kaufleute deutsche Wachposten bestachen
     und nachts Pferde aus der Kriegsbeute über die Grenze bringen wollten, um sie dann noch kämpfenden französischen Truppenteilen
     zu verkaufen, ließ Stieber die Diebe
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