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Stieber - Der Spion des Kanzlers Roman

Titel: Stieber - Der Spion des Kanzlers Roman
Autoren: Wolfgang Brenner
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Fabrikanten Fedle in Augsburg längst zur Ausrüstung der königlich-bayrischen Armee gehörte.
    Um so gelassener ging der preußische Geheimdienstchef (als deutscher Journalist Schmidt) vor Ort an die Rekrutierung seines
     französischen Spitzelheeres. Besonderes Augenmerk legte er dabei auf Offiziere und Beamte, die sich nach ihrer Relegation
     unfair behandelt fühlten oder politische Ressentiments gegen ihre Regierung hegten. Gleichzeitig forschten seine in Österreich
     bereits erfahrenen Mitarbeiter die finanziellen Lebensumstände in Frage kommender Zielpersonen aus und banden sie mit großzügigen
     Krediten aus der Hannoveraner Schatulle an sich. Alle derart Angeworbenen bekamen den Hauptauftrag, sich wiederum nach neuen
     Aspiranten umzusehen. Die Personendaten der angeworbenen und umworbenen Personen wurden im Berliner Centralregister erfaßt.
     Dort wurden von sogenannten »Acquisiteuren« auch die Beförderungslisten des Militärs und der Verwaltung durchgesehen, um Übergangene,
     Benachteiligte und Bevorzugte herauszufiltern, aus denen geheimdienstliches Kapital zu schlagen war.
    Das Ergebnis von Stiebers »Recherche«: Frankreichs Waffenfabriken waren in einem schlechten Zustand, der Kaiser Napoleon III.
     litt unter einer schweren Krankheit und machte mehr und mehr Zugeständnisse an das Parlament und seine innenpolitischen Kritiker,
     seine Berater drängten ihn, angesichts dieser Schwäche keinen Krieg zu riskieren und einer gesamtdeutschen Einigungsbewegung
     keine Steine mehr in den Weg zu legen. Französische Truppen kämpften im Ausland, kurzfristig war das Land gerade mal in der
     Lage, 100   000   Mann mobil zu machen. Bismarck nannte den Bericht aus Paris eine »Einladung an deutsche Soldatenstiefel«.
    Die Suche nach einem Anlaß für den »notwendigen« Krieg begann, denn Bismarck hatte den Ehrgeiz, vor der Geschichte als der
     dazustehen, der sich bloß zur Wehr setzte – wie im Fall des Kriegesgegen das arglose Österreich. Und er brauchte einen Krieg, denn die deutschen Staaten waren nur im Krieg zu vereinen, wie
     er, verbittert über bayrische Neutralitäts-Bestrebungen und württembergische Tändeleien mit Paris, mehrmals Stieber gegenüber
     äußerte. Die sogenannte Main-Linie, die geographische und politische Grenze zwischen den Staaten des Norddeutschen Bundes
     und den süddeutschen Staaten, schien sich zu verfestigen.
    »Nie war ein Krieg mit so viel Liebe vorbereitet worden. Nie wurde er so begeistert geführt«, schreibt Golo Mann, jedoch auch:
     »Einen echten Gegenstand hatte der Krieg von 1870 aber nicht.«
    Wenn schon kein »Gegenstand« vorhanden war, ein Anlaß war schnell gefunden: Die Hohenzollern hatten einen entfernten Anspruch
     auf den spanischen Thron, der durch eine Volkserhebung gegen die Königin Isabella II. verwaist war. Der spanische Ministerpräsident
     Graf von Prim nahm diesen Anspruch auf und animierte den Erbprinzen Leopold von Hohenzollern-Sigmaringen zur Kandidatur. Da
     Sigmaringen seit 1849 zu Preußen gehörte und der preußische König als Familienoberhaupt fungierte, hatte Berlin bei der Bewerbung
     ein gewichtiges Wort mitzureden.
    Obwohl kein Mensch die Kandidatur des Hohenzollern aus dem schwäbischen Zwergenfürstentum ernst nahm, bestärkte Bismarck hinter
     den Kulissen Leopold in seinen hochtrabenden Plänen. Er schickte sogar einen Vertrauten, Theo von Bernardi, mit 50 000Talern
     aus dem »Reptilienfonds« in der Tasche nach Madrid, um Stimmen für Leopold zu kaufen. Anschließend machte Bismarck dem preußischen
     König die Transaktion schmackhaft, da sie im Kriegsfall »zwei Armeecorps einspare«.Dennoch lehnte König Wilhelm die Kandidatur
     ab – weil sie, was keiner offen aussprach, aber jeder wußte – direkt zum Krieg mit dem derart eingeschlossenen Frankreich
     führen würde. Ein vom Auswärtigen Amt 1924 bei zwei deutschen Historikern in Auftrag gegebenes Gutachten urteilte deutlich:
     »Obwohl oder vielmehr weil Bismarck in den Akten über seine letzten Absichten bei der Kandidaturfrage und vor allem auch über
     ihre Rückwirkungen auf Frankreich kein Wort äußert, kann daraus gefolgert werden, daß er damit einen Kriegsgrund habe schaffen
     und den Zusammenstoß provozieren wollen.«
    Bismarck schickte Lothar von Bucher nach Madrid zum spanischen Ministerpräsidenten Prim (von dem Stieber behauptet, er hättedas Geld Bernardis persönlich unterschlagen). Der König protestierte, Bismarck wiegelte ab und verwies auf
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