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Sterntagebücher

Sterntagebücher

Titel: Sterntagebücher
Autoren: Stanislaw Lem
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er sprang auf, brüllte etwas, was in dem allgemeinen Getöse unterging, ich indes kam mir vor wie auf dem Boden des Klamauks, und der letzte Gedanke, der mir im Kopf umging, war die Frage jenes vorsätzlichen Niesens, von dem wir unseren Anfang genommen hatten.
      Plötzlich packte mich jemand schmerzhaft an den Haaren, daß ich aufstöhnte. Das war der Tarrakaner, der zu demonstrieren versuchte, wie ordentlich ausgeführt ich durch die irdische Evolution doch sei und wie wenig ich verdiente, den Namen irgendeines Wesens zu tragen, das nur lose zusammengeklebt sei aus verfaulten Abfällen. Er drosch mir ein ums andre Mal mit seiner gewaltigen, schweren Lehnte auf den Kopf… Und ich, der ich mich fühlte, als habe mein letztes Stündlein geschlagen, machte immer schwächere Versuche, mich zu befreien, verlor den Atem, schlug noch ein paarmal in der Agonie mit den Füßen aus – und sank zurück in die Kissen. Noch nicht bei vollem Bewußtsein, fuhr ich auf: Ich saß im Bett, betastete den Hals, den Kopf, die Brust – und überzeugte mich auf diese Weise, daß alles, was ich erlebt hatte, nur ein Alptraum gewesen war. Ich atmete erleichtert auf, dann begannen mich jedoch gewisse Zweifel zu quälen. Ich sagte mir: Träume sind Schäume, aber das half nichts.
      Schließlich fuhr ich, um die trüben Gedanken zu verscheuchen, zu meiner Tante auf den Mond. Immerhin kann ich schwerlich eine achtminütige Reise mit dem Planetobus, der vor meinem Haus hält, als die achte Sternreise bezeichnen – eher schon verdient diese Bezeichnung die im Traum erlebte Expedition, bei der ich für die Menschheit so viel zu leiden hatte.

    ELFTE REISE

    Der Tag begann wenig verheißungsvoll. Die Unordnung, die bei mir zu Hause seit dem Augenblick herrschte, da ich meinen Diener zur Generalüberholung gegeben hatte, wurde immer größer. Ich konnte nichts finden. In der Meteorensammlung hatten sich Mäuse eingenistet. Sie hatten den schönsten Chondrit angenagt. Als ich Kaffee brühte, lief mir die Milch über. Die Geschirrtücher lagen bei den Taschentüchern… Ich hätte diesen elektronischen Wirrkopf schon zur Generalüberholung geben sollen, als er mir die Schuhe von innen einzukremen begann. Statt eines Geschirrtuchs mußte ich einen alten Fallschirm nehmen, ich ging nach oben, staubte die Meteore ab und stellte eine Falle auf. Alle Exemplare hatte ich selbst gesammelt. Das ist nicht so schwierig – man braucht nur einen Meteor von hinten anzugehen und ein Netz über ihn zu stülpen. Da fielen mir die Toastschnitten ein, und ich rannte nach unten. Sie waren natürlich verkohlt. Ich warf sie in den Ausguß. Der war sofort verstopft.
      Ich öffnete den Briefkasten. Er war voll von der üblichen Morgenpost – zwei Einladungen zu Kongressen irgendwo im finstersten Winkel des Nebelflecks Krab, Reklameschriften für Raketenpoliturmilch, die neue Nummer des »Düsenreisenden«, nichts Interessantes.
      Der letzte Brief war ein dunkler, dicker Umschlag, versehen mit fünf Stempeln. Ich wog ihn in der Hand und öffnete ihn.

    Der geheime Bevollmächtigte für Fragen Kareli
riens gibt sich die Ehre, Herrn Ijon Tichy zu ei
ner Sitzung am 16. des laufenden Monats um
17.30 Uhr im kleinen Saal des Lambretanums zu
    laden. Eintritt nur auf Einladung nach Durchleuchtung.
      Es wird gebeten, die Angelegenheit als geheim zu betrachten.
    Unleserliche Unterschrift, Siegel.
    oben ein schräger Stempel:
    HÖCHSTE SICHERHEITSSTUFE.
    KOSMISCHE GEHEIMSACHE!

    Na, endlich was, dachte ich, Karelirien, Karelirien… Der Name war mir bekannt, aber es wollte mir nicht einfallen, woher. Ich warf einen Blick in die Kosmische Enzyklopädie. Da waren nur Kartulanien und Kersempilien. Interessant, dachte ich. Der Almanach enthielt auch nichts unter diesem Stichwort. Tja, das war wirklich interessant. Offensichtlich ein geheimer Planet. »Das hab ich gern«, murmelte ich und begann mich anzuziehen. Es war erst zehn, aber ich mußte die Zeit einkalkulieren, die ich meines Dieners wegen verlieren würde. Die Socken fand ich beinahe auf Anhieb im Kühlschrank, und ich glaubte schon, dem Gedankenlauf des gestörten Elektronenhirns folgen zu können, als ich mich mit einer peinlichen Tatsache konfrontiert sah – nirgends war eine Hose zu finden. Kein einziges Paar. Im Schrank hingen lauter Jacken. Ich durchsuchte das ganze Haus, sogar die Rakete – nichts. Ich stellte nur fest, daß dieses Kamel das ganze Öl ausgetrunken hatte, das im Keller war. Er mußte
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