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Sterntagebücher

Sterntagebücher

Titel: Sterntagebücher
Autoren: Stanislaw Lem
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ist eine Last, der nicht jeder gewachsen ist.«
      Das Amphitheater füllte sich mit ärgerlichem Stimmengewirr.
      »Die Frage wird erst akut, wenn der Antrag der tarrakanischen Delegation angenommen ist!« sagte nach einigem Zögern der Vorsitzende.
      »Mit Verlaub, Euer Galaktizität!« erwiderte der Eridaner. »Ich wage es, anderer Meinung zu sein, und möchte deshalb die Frage, die ich gestellt habe, mit einigen Bemerkungen stützen, die meines Erachtens sehr wesentlich sind. Ich habe hier, zunächst, das Werk eines ausgezeichneten doradischen Planetographen, des Hyperdoktors Wragras, ich zitiere daraus: ›…Planeten, denen das Leben nicht spontan entstehen kann, zeichnen sich durch folgende Merkmale aus: a) durch katastrophale Änderungen des Klimas in rasch wechselndem Rhythmus (dem sogenannten Zyklus »Winter – Frühling – Sommer – Herbst«) sowie durch noch bedrohlichere Änderungen in längeren Zeitabschnitten (den Eiszeiten); b) durch das Vorhandensein großer Monde; ihre Gezeiteneinflüsse haben ebenfalls lebenstötenden Charakter; c) durch die häufig auftretende Fleckigkeit des Zentralgestirns, des Muttersterns; die Flecke sind die Quelle einer lebenstötenden Strahlung; d) durch ein Übergewicht der Wasseroberfläche über die Fläche der Kontinente; e) durch die Beständigkeit der Polvereisung; f) durch das Auftreten von Niederschlägen in flüssigem und festem Aggregatzustand…‹ Wie man daraus ersieht…«
      »Ich bitte ums Wort in einer formalen Frage!« fuhr mein Tarrakaner hoch, von neuer Hoffnung belebt. »Ich möchte wissen, ob die Delegation Eridans für unseren Antrag oder gegen ihn stimmen wird.«
      »Wir werden für den Antrag stimmen, mit einem Zusatzantrag jedoch, den ich der Hohen Versammlung vorlegen werde«, antwortete der Eridaner und kehrte zu seinem Thema zurück. »Ehrenwerte Ratschaft! Auf der 918. Sitzung der Vollversammlung hatten wir den Antrag auf Mitgliedschaft der Rasse der hinterköpfigen Ekelgeiler behandelt, die sich als ›ewig Vollkommene‹ vorstellten, obschon sie körperlich so unbeständig waren, daß sich die Zusammensetzung der Delegation der Ekelgeiler während dieser Zeit fünfzehnmal änderte, obwohl die Sitzung nicht länger als achthundert Jahre dauerte. Diese Unglückseligen verwickelten sich in Widersprüche, als es dazu kam, den Lebenslauf der Rasse zu schildern, indem sie der Hohen Versammlung in ebenso unverbindlicher wie feierlicher Weise versicherten, sie habe ein gewisser Vollkommener Schöpfer nach eigenem Vorbild geschaffen, weshalb sie denn auch unter anderem im Geiste unsterblich seien. Da es sich aus anderem Grund herausstellte, daß ihr Planet den bione gativen Bedingungen des Hyperdoktors Wragras entsprach, bildete die Vollversammlung eine besondere Untersuchungskommission. Die stellte fest, daß die inkriminierte vernunftwidrige Rasse nicht infolge einer Laune der Natur, sondern auf Grund eines bedauernswerten, durch dritte Personen hervorgerufenen Zufalls entstanden war.«
      (»Was redet er! Aufhören! Lüge! Nimm die Lehnte weg, du Ekelgeiler!« hallten die Rufe immer stürmischer durch den Saal.)
      »Die Untersuchungen der Kommission«, fuhr der Eridaner fort, »führten dazu, daß auf der nächsten Sitzung der OVP eine Ergänzung zu Punkt zwei der Charta der Vereinten Planeten angenommen wurde; diese Ergänzung lautet wie folgt (hier entfaltete er ein klafterlanges Pergament und hob zu lesen an): ›Im folgenden wird ein kategorisches Verbot für alle lebenszeugenden Aktionen auf sämtlichen Planeten des Typs Wragras A, B, C, D sowie E erlassen. Gleichzeitig wird den Leitungen von Forschungsexpeditionen und den Kommandos von Raumschiffen, die auf solchen Planeten landen, die Pflicht auferlegt, das obige Verbot strengstens zu befolgen. Es umfaßt nicht nur absichtliche lebenszeugende Praktiken, wie das Aussäen von Moosen, Bakterien und ähnlichem, sondern auch das unbeabsichtigte Einleiten von Bioevolutionen infolge Unachtsamkeiten oder Zerstreutheit. Diese antikonzeptionelle Prophylaxe ist durch den besten Willen und das beste Wissen der OVP diktiert, der folgende Fakten bekannt sind. Erstens – die natürliche Feindseligkeit des Milieus, in das die von außen mitgebrachten Urkeime des Lebens gepflanzt werden, bewirkt, daß im Verlaufe seiner weiteren Evolution Abseitigkeiten und Invaliditäten entstehen, denen man im Rahmen einer natürlichen Biogenese nie begegnet. Zweitens – unter den genannten
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