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Sterntagebücher

Sterntagebücher

Titel: Sterntagebücher
Autoren: Stanislaw Lem
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Gottesgabe.‹ Auf Grund dieses Textes kamen die Experten zu dem Schluß, daß der seltene Fall einer Meuterei im All eingetreten war, und zwar einer Auflehnung des Bordkalkulators. Da mit der Auszahlung der Versicherungssumme an die Reeder diese keinen Anspruch mehr auf das vermißte Schiff erheben konnten, denn SECOS hatte es mit allen Eigentumsrechten, auch mit dem auf die Fracht, übernommen, beauftragte die Versicherung die Agentur Pinkerton in den Personen Abstrahaze und Mnemonius Pinkerton, die entsprechenden Untersuchungen durchzuführen. Die Nachforschungen dieser routinierten Detektive ergaben, daß die Rechenmaschine der ›Gottesgabe‹, ein seinerzeit luxuriös ausgestattetes Modell, aber während ihrer letzten Reise bereits im vorgerückten Alter, sich in der Tat seit geraumer Zeit über ein Mitglied der Besatzung, einen gewissen Symileon Gitterton, beklagt hatte. Jener Mann soll den Kalkulator unablässig gereizt haben – durch Herabminderung der Ausgangsspannung, durch Röhrenstüber, durch Spott, ja, er warf ihm sogar so beleidigende Worte an den Kopf wie ›seniler Blechkasten‹ oder ›verdrahteter Schwachkopf‹. Gitterton leugnete alles und behauptete, die Rechenmaschine habe einfach Sinnestrübungen, was bisweilen bei sehr alten Elektronenhirnen vorkommen soll. Doch diesen Aspekt der Angelegenheit wird Ihnen gleich Professor Gargarrag näher erläutern.
      In den darauffolgenden zehn Jahren gelang es nicht, das Schiff zu finden. Doch dann erfuhren Pinkertons Agenten, die sich unablässig mit dem geheimnisvollen Verschwinden der ›Gottesgabe‹ befaßten, daß vor dem Restaurant des Hotels Galax ein halbirrer Bettler zu hocken pflege, der eigenartige Geschichten singe; er gebe sich für Astrocent Peapo, den ehemaligen Kommandanten des Raumschiffes aus. Dieser Greis, über die Maßen liederlich, behauptete tatsächlich, er sei Astrocent Peapo, doch war er nicht nur nicht bei Verstand, sondern hatte auch die Sprache verloren und konnte nur noch singen. Von Pinkertons Leuten geduldig ausgefragt, sang er ihnen eine unglaubliche Geschichte vor: An Bord des Raumschiffes sei etwas Entsetzliches passiert; nur mit einem Skaphander auf dem Leib über Bord geworfen, habe er mit einer Handvoll treuergebener Raumfahrer zu Fuß aus der Gegend des Andromedanebels zurückkehren müssen, was zweihundert Jahre gedauert habe. Er sei angeblich auf Meteoren, die in der entsprechenden Richtung flogen, oder auch per Anhalter mit Raketen gereist, und nur einen kleinen Teil des Weges habe er auf Lumeon, der unbemannten kosmischen Sonde, zurückgelegt, die beinahe mit Lichtgeschwindigkeit zur Erde flog. Diese Fahrt rittlings auf dem Buckel Lumeons habe er (nach seinen eigenen Worten) mit dem Verlust der Sprache bezahlen müssen, dafür sei er um viele Jahre jünger geworden, dank der bekannten Erscheinung der Zeitschrumpfung bei Körpern, die sich mit lichtnahen Geschwindigkeiten bewegen.
      So lautete die Erzählung – oder vielmehr der Schwanengesang des Greises. Von dem, was sich auf der ›Gottesgabe‹ ereignet hatte, wollte er kein Sterbenswörtchen sagen. Erst nachdem Pinkertons Agenten in der Nähe der Stelle, wo der Greis auf der Hoteltreppe zu sitzen pflegte, Magnetophone aufgestellt hatten, konnten sie die von dem alten Bettler gesungenen Liedchen aufnehmen. In einigen bewarf er die Rechenmaschine mit den schrecklichsten Ausdrücken und Flüchen, da sie sich zum Archipankrator alles Seienden im Kosmos erklärt habe. Daraufhin kam Pinkerton zu dem Schluß, daß die Lesart, die man der Depesche unterstellte, richtig war und der wahnsinnig gewordene Kalkulator sich aller im Raumschiff weilenden Menschen entledigt hatte.
      Eine Fortsetzung erfuhr diese Geschichte durch die Entdeckung, die fünf Jahre später ein Schiff des Metagalaktologischen Instituts, ›Megastar‹, machte. Es bemerkte auf der Umlaufbahn eines unerforschten Planeten des Procyon ein verrostetes Wrack, das im Schnitt der verlorengegangenen ›Gottesgabe‹ ähnlich sah. Das Raumschiff ›Megaster‹, dem der Brennstoff auszugehen drohte, landete auf dem Rückweg nicht auf dem Planeten, sondern benachrichtigte auf dem Funkweg die Erde. Damals wurde ein kleines Patrouillenschiff, ›Deukron‹, ausgesandt, das die Umgebung des Procyon erforschte und das Wrack wiederfand. Es waren tatsächlich die Überreste der ›Gottesgabe‹; ›Deukron‹ drahtete, sie habe das Wrack in einem schrecklichen Zustand gefunden; man habe daraus die
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