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Sternenseide-Zyklus 1 - Kind der Dunkelheit

Titel: Sternenseide-Zyklus 1 - Kind der Dunkelheit
Autoren: Sydney J. Van Scyoc
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Schwestern der Steine, die durch die offene Luke flogen und Angstschreie und die Geräusche hämmernder Zerstörung aus dem Inneren des Schiffes beschworen.
    Khira fühlte sich, als wäre sie die Steine; als wären sie zu einer Ausweitung ihres Willens geworden; als flöge sie mit ihnen in das Schiff und suchte die schwarzuniformierten Benderzic auf, wo immer sie sich auch zu verbergen suchten, und zermalmte sie zu schlaffen blutigen Klumpen. Sie fühlte sich, als wäre sie die Steine, die gegen die gesamte schimmernde Einrichtung des Schiffes rasselten und prallten, sie zertrümmerte und zerschmetterte. Sie fühlte sich, als wäre sie die Steine, die alles auf ihrem Weg zerstörten.
    Alles, außer den leeren Hülsen von vier Kindern, die still in einer Abteilung des Schiffes saßen und der Zerstörung mit geistlosen Augen zuschauten.
Sie
berührten die Steine nicht.
    Merkwürdig, daß sie den Duft von Obstgärten roch, als die Steine prasselten und hämmerten. Seltsam, daß sie Alzaja durch den Felshagel hindurch erblickte, die gelassen und bleich den Berg heraufstieg. Seltsam, daß sie Alzajas Stimme hörte.
    Merkwürdig auch, daß sie sich selbst in furchtbarem Krampf schluchzen hörte. Dunkeljunge hatte versucht, sie zu verlassen, wie Alzaja sie verlassen hatte. Er hatte versucht, sie zu verlassen; und die Steine der Zinnen hatten ihn sicher zum Boden getragen und sich gegen seine Feinde geschleudert.
    Jetzt stand Khira in den Trümmern des Benderzic-Schiffes und starrte auf die Zerstörung; Tränen rannen ihr über die Wangen. Der Kloß in der Kehle, der Klumpen in der Brust – sie waren geschwunden; sie spürte nur noch ihr Herz an ihrer Stelle. Zu ihren Füßen lag zerschlagenes Glas. In der Nähe lag ein toter Benderzic unter einem Steinhaufen. Sein Blut besudelte die zerschmetterte Metallwand.
    »Khira?« Die Stimme kam von irgendwo weit fort; von einem Ort, den sie nie wieder besuchen konnte, einem Ort der Unschuld. »Khira?«
    Sie schüttelte den Kopf, Tränen brannten ihr auf dem Gesicht. Da war Blut an den Steinen, und da war Stein in ihrem Herzen. Sie spürte ihn jetzt. Er lag schwer in ihrer Brust, selbst während sie die Veränderungen spürte, die zuvor nicht stattgefunden hatten und jetzt in ihrem Körper vorgingen. Sie blickte betäubt ihren Körper hinab und beobachtete, wie ihre Finger wuchsen. Sie spürte, daß selbst ihr Haar schwerer über ihre Schultern fiel. Sie berührte ihr Gesicht und wußte, jetzt war es das Gesicht einer Barohna.
    Es war das Gesicht einer Barohna, die in der Gefahr eines Verlustes Stein lebendig gemacht und den lebenden Stein dazu benutzt hatte zu töten. Es war das Gesicht einer Barohna, die diese Dinge getan hatte, fast ohne es zu wissen.
    »Khira, das sind meine Brüder.«
    Die Hülsen der Kinder. Sie drehte sich zu dem Jungen um und nahm zur Kenntnis, daß er sie dorthin geführt hatte, wo sie jetzt stand. Die Kinder blickten leer zu ihr herauf. Sie waren schmächtig; ihre Augen so dunkel, daß sie kaum die Iris von der Pupille unterscheiden konnte. Ihr schwarzes Haar war unter den Ohren gerade abgeschnitten, und die dünnen Lippen waren von grauen Hülsen umschlossen. Als sie sie anstarrten, erwartete sie, daß sie fragend die Brauen höben.
    Aber sie waren zu leer, um zu fragen; selbst stumm. Sie starrten nur.
    Khira seufzte tief und schob die Last der Schuld beiseite. Dies waren die Brüder des Jungen, aber es waren nicht einmal Kinder; nicht in diesem Zustand. Die Benderzic hatten aus ihnen Werkzeuge gemacht; ebenso wie sie einst aus Dunkeljunge ein Werkzeug gemacht hatten. Und indem sie derartiges getan hatten, waren sie ihrer eigenen Menschlichkeit verlustig gegangen.
    Sie war eine Barohna, die Steine hatte lebendig werden lassen und den lebenden Stein dazu benutzt hatte, Böses zu zerstören. »Das sind deine Brüder«, bestätigte sie rauh. Dann schritt sie an ihm vorbei zur Luke des zerstörten Schiffes.
    Wo sich zuvor die Zinnen erhoben hatten, war jetzt nur noch Geröll. Aber der Teich war unberührt, seine Oberfläche klar. Khira schritt zu ihm und blickte auf ihr Spiegelbild hinunter; und sie sah die Kraft ihrer Glieder, die Macht ihrer Gesichtszüge. Während die Steine geflogen waren, war sie so groß und stark wie Tiahna geworden. In ihren Augen war das gleiche Geheimnis; die gleiche Gelassenheit war auf ihrem Gesicht – und der gleiche Stein in ihrem Herzen. Nicht der Stein der Härte, sondern der Stein der Kraft und des Mitleids.
    Sie hob langsam
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