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Sternenfaust - 185 - Das erloschene Reich

Sternenfaust - 185 - Das erloschene Reich

Titel: Sternenfaust - 185 - Das erloschene Reich
Autoren: Manfred Weinland
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weglaufen.«
    Cana verzog das Gesicht, während sich die Frau abwandte und wortlos in der Menge untertauchte.
    »Meinst du, sie haben die Initiierung tatsächlich abgesagt?« , fragte Taro.
    »Wenn, dann wurde sie nicht abgesagt, nur verschoben.«
    »Vielleicht hat diese Frau sich verhört.«
    »Das ist nicht auszuschließen« , sagte Cana. »Andererseits gebietet es Manaks Tod zweifellos, in unserem Tagwerk innezuhalten und seiner zu gedenken. Dieses Gedenken und der Ritus lassen sich wohl kaum miteinander in Einklang bringen.« Sie seufzte. »Du bist nicht der Einzige, den es trifft. Wie viele genau seid ihr dieses Jahr?«
    »Zwölf«, sagte Taro unzufrieden.
    »Zwölf! Eine besondere Zahl, wir hatten sie lange nicht mehr in diesem Zusammenhang.«
    Taro machte eine zustimmende Geste. Die Zwölf stand in ihrer Kultur für Harmonie und Einklang.
    »So viele waren es zuletzt vor fünfzehn Jahren«, hörte er seine Mater sagen. »Ich freue mich! Zwölf, das ist ein gutes Omen. Ich wünschte nur, dein Vada hätte es erleben können.«
    »Mater?«
    »Ja? Was gibt es, mein Sohn?«
    Taro suchte nach den richtigen Gedankenbildern, mit denen er Cana davon überzeugen konnte, dass Jinu und er eben doch füreinander bestimmt waren, Klassenunterschiede hin oder her. »Nichts«, sagte er schließlich. »Ich will nur nicht länger hier bleiben. Können wir nach Hause?«
    »Aber natürlich. Bis zum Morgen ist es nicht mehr lang, und wer weiß, was der neue Tag uns alles bringen mag. Ein wenig Schlaf wäre vernünftig.«
    Sie nahm Taro bei der Hand, wie sie es seit Jahren nicht mehr getan hatte, und gemeinsam bahnten sie sich ihren Weg bis in die Straße, wo ihr Heim zwischen den Häusern anderer Angehöriger ihrer Kaste lag.
     
    *
     
    Der Cluster verteilte sich wie ein oberirdisches Pilzgeflecht über eine Fläche, die ebenso groß war wie der angrenzende See, aus dem die Bewohner von Kor’Aron ihr Trinkwasser bezogen. Entlang der engen Straßen erhoben sich in den Randzonen einstöckige Bauten, in denen die einfache Bevölkerung ihr unter großen Mühen herangezogenes Heim gefunden hatte. Je tiefer man in den Kern des Clusters vordrang, desto größer und imposanter wurden die Gebäude. Von zwei- und dreistöckig im zentrumsnahen Gebiet, bis hin zu dem muschelartig verdrehten Hochbau, in dem der Prinzipal residierte.
    Genügten für die einfachen Bauten noch die Anstrengungen einer kleinen Gruppe von Leuten, um aus dem Straßenstrang einen Ableger zu kultivieren, aus dem sich mit vereinter Kraft ein bescheidenes Quartier formen ließ, so waren für die aufwendigeren Bauten Trupps von Spezialisten nötig, die von Baustelle zu Baustelle reisten, um ihre Begabung zur Verfügung zu stellen. Gerade die großen Gebäude bedurften dabei der ständigen Nachsorge und Pflege. Am kompliziertesten verhielt es sich mit dem Domizil des Prinzipals, in dem das Wartungspersonal sogar feste Unterkünfte hatte und permanent damit beschäftigt war, marode Stellen auszubessern.
    Taros Zuhause hatte nie eine derartige Zuwendung erfahren. Cana hatte erzählt, dass sein Vada ihr Heim mithilfe guter Freunde – an denen es ihm nicht mangelte – schneller herangezogen hatte als irgendeiner ihrer Nachbarn. Taro wusste nicht, ob das die Wahrheit war oder ob Cana ihren verstorbenen Lebenspartner nur in einem möglichst guten Licht erscheinen lassen wollte.
    Taro hatte seinen Vada nie richtig kennengelernt. Er war noch zu klein gewesen, als Rano nicht mehr von seinem Ausritt zu den Sternen zurückgekehrt war.
    Für einen Moment vergaß er völlig, warum er die Gassen des Clusters durchstreifte und sich immer tiefer in den Kernbereich vorwagte, begafft von Bürgern, denen es nicht gefiel, dass er sich hier herumtrieb. Die Kaste, der er angehörte, war leicht an seiner minderwertigen Kleidung zu erkennen.
    Taro versuchte, die abfälligen bis unverhohlen misstrauischen Blicke zu ignorieren. Erst einmal war er bis zu Jinus Zuhause vorgedrungen, spät nachts, als die Sehnsucht ihn getrieben hatte. Aber er hatte es nicht gewagt, sich ihr bemerkbar zu machen.
    Ihr Vada, der Verkünder, beschäftigte Männer, die nichts anderes zu tun hatten, als die Familie und das Anwesen zu beschützen.
    »Was willst du denn hier?«
    Als Taro sich umwandte, entdeckte er Nier, der mit ein paar Kumpanen aus der Lücke zwischen zwei Gebäuden herausgetreten war und Taro sofort erspäht hatte.
    Nier war ein unangenehmer Zeitgenosse. Obwohl so alt wie Taro, gebärdete sich der
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