Sternenfaust - 110 - Die Fünfte Kolonne
tun könnte.«
Kenas blickte den ehemaligen Kampfschiffkommandanten einen Moment ausdruckslos an und überlegte, wie gefährlich Siron Talas wohl immer noch sein mochte, denn Kenas war sich sicher, dass er immer noch über alles informiert war, was im Reich vor sich ging. Außerdem besaß er mit Sicherheit noch Kontakte zu wichtigen Personen.
»Es handelt sich auch nicht um eine Angelegenheit der aktuellen Politik, sondern um etwas, das wahrscheinlich bereits begonnen hat, bevor Sie Ihre Revolution zum Erfolg führten«, sagte Kenas schließlich vorsichtig. »Wie Sie gerade selbst zugaben, hatten Sie Zugang zu Temuran-Informationen aus dem innersten Kreis. Die, die ich brauche, gehört dazu. Was wissen Sie über eine neue Form von Agenten, die man J’eberde nennt?«
»J’eberde?«, wiederholte Talas und warf seiner Frau einen fragenden Blick zu, die eine kaum wahrnehmbare verneinende Geste machte. »Davon weiß ich nichts. Was soll das sein?«
»Agenten, die genetisch J’erde, ideologisch aber J’ebeem sind.«
»Davon habe ich niemals etwas gehört«, versicherte Talas. »Wir haben den Temuran damals benutzt, um unerkannt zu bleiben und nicht entlarvt zu werden, aber wir waren nie über alle oder auch nur annähernd die meisten Aktionen informiert, die der Geheimdienst am Laufen hatte. Ich kann Ihnen also nicht helfen.« Er blickte Kenas scharf an. »Warum fragen Sie nicht Ihre Vorgesetzten beim Temuran?«
Paitar Kenas war nicht erst seit gestern Agent und wusste in der Regel, wann man ihn belog. Falls Siron Talas nicht ein ebenso exzellenter Schauspieler war wie jeder Temuran-Agent, dann sagte er jetzt die Wahrheit. Andererseits musste ein Mann wohl ein mehr als ausgezeichneter Schauspieler sein, der es monatelang fertig gebracht hatte, Dagis Rendoy zu spielen, ohne von dessen engsten Verwandten und Vertrauten entlarvt zu werden. Doch sein Instinkt sagte Kenas, dass Talas wirklich nichts über die J’eberde wusste. Er war enttäuscht.
»Es handelt sich um eine Angelegenheit höchster Brisanz, wie Sie sich vielleicht denken können, Ri’in Talas, und es steht noch nicht fest, ob deswegen nicht beim Temuran einige hochrangige Agenten vielleicht demnächst Drachenfutter sein werden. Ich führe eine Sonderermittlung durch. Aus diesem Grund kann ich natürlich keinen meiner Vorgesetzten fragen, falls einer oder mehrere darin involviert sind, wie es aussieht. Also muss ich meine Nachforschungen anderswo beginnen, und Sie schienen mir die beste Option zu sein.«
Talas sah ihn einen Moment durchdringend an und schien zu überlegen, ob er Kenas trauen konnte und wenn ja, in welchem Maße. Schließlich nahm er ein kleines Datenpad aus der Tasche seines Anzugs und tippte etwas hinein, bevor er es dem Agenten reichte. »Befolgen Sie diese Anweisungen und löschen Sie sie anschließend, Kenas. Der Mann, der sich daraufhin mit Ihnen treffen wird, kann Ihnen jede gewünschte Information beschaffen. Und ich meine wirklich jede .«
Kenas erhob sich. »Ich danke Ihnen, Ri’in Talas.«
»Belästigen Sie mich nie wieder, so ist das Dank genug«, wehrte Talas schroff ab. »Ich will meine Ruhe haben und von solchen Dingen nichts mehr wissen. Sie haben mich in der Vergangenheit zu viel gekostet. Viel zu viel«, fügte er nachdrücklich mit einem Seitenblick auf seine Tochter Tanera hinzu, ehe er Kenas hinaus winkte.
Kenas ging und sah noch aus den Augenwinkeln, wie Siron Talas eine Hand über die seiner Frau legte, die hinter ihn getreten war und die ihren auf seine Schultern gelegt hatte. Talas war eine wahrhaft tragische Figur in der jüngeren Geschichte Ebeems. Durch die von ihm und seinen Getreuen angezettelte Revolution hatte er dem Reich dringend benötigte Reformen gebracht, doch der Preis dafür war, dass er alles verloren hatte und nun ein Dasein als Kampfdrachentrainer fristete. Er war ein Held und eine Schande gleichermaßen – ein Held für einen Großteil des Volkes und ein Verräter in den Augen des Adels. Aber auch der verdankte ihm einige Verbesserungen, und so war Siron Talas eine Person, der man äußerst zwiespältige Gefühle entgegen brachte. Doch wie es aussah, hatte er für sich das Beste daraus gemacht und seinen Frieden gefunden. Und Kenas würde jetzt den Mann aufsuchen, den Talas ihm empfohlen hatte – und mit seiner Hilfe hoffentlich das Rätsel um die J’eberde lösen.
*
Isabella Abenaike Sairam bemühte sich um einen neutralen Ausdruck auf ihrem Gesicht, während sie durch die
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