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Sternenfaust - 094 - Wandlungen

Sternenfaust - 094 - Wandlungen

Titel: Sternenfaust - 094 - Wandlungen
Autoren: Susanne Picard
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herab und drückte ihm einen Kuss auf die Wange.
    Unglücklich sah William hinter ihr her.
     
    *
     
    Der Tag hatte für den Christophorer schlecht begonnen, und er wurde nicht besser. Er versuchte, sich auf seine Arbeit zu konzentrieren, die im Wesentlichen daraus bestand, als Assistent der Wissenschaftler an Bord zu fungieren. Normalerweise war das nicht schwer, er kam an Bord mit den meisten Menschen gut aus, so auch mit Professor von Schlichten – der sogar aus dem Eisbiest Captain Frost manchmal einen brodelnden Vulkan machen konnte, wie Fähnrich Morales oft witzelte.
    Bei Bruder William war Professor von Schlichten scheinbar ein anderer Mensch. Doch heute war das anders. Wenn sich William nicht gerade trotz unzähligen Koffein- und Guarana-Drinks nur so eben wach hielt, schweiften seine Gedanken zu seinen bedrohlich echt wirkenden Albträumen ab. Immer wieder tauchten verhüllte Gestalten vor seinem inneren Auge auf, die ihn scheinbar auf einem Altar opfern wollten und deren Gesichter er nicht sehen konnte.
    Die Vorstellung, diesen Gestalten wiederzubegegnen und sei es nur im Traum, ließ Bruder Williams Gedanken immer wieder erschrocken zu den Experimenten zurückkehren. Doch er litt mittlerweile so sehr unter dem Schlafmangel, dass er sich trotz aller Bemühungen nicht einmal mehr den Anschein geben konnte, konzentriert zu arbeiten. Nachdem Professor von Schlichten ihn im Labor auf dem Maschinendeck mehrfach hatte zurechtweisen müssen und der Christophorer ganz gegen seine Gewohnheit sogar ein Physikalisches Experiment vergeigt hatte, schickte Yasuhiro von Schlichten den übermüdeten Christophorer verärgert fort.
    »Schlafen Sie gefälligst in Ihrem Bett, Bruder William, und nicht bei der Arbeit!« Das hatte zu Recht bissig geklungen und kleinlaut hatte William sich bei von Schlichten entschuldigt. Yngvar MacShane, der Kryptologe, saß ebenfalls an der wissenschaftlichen Station und grübelte zusammen mit Jango DeVries, dem Xeno-Biologen, über dem Rätsel der genetischen Codes der Wurzelbücher. Er warf dem Mönch einen mitleidigen Blick zu. Dessen erschöpftes Gesicht wirkte mittlerweile ebenso grau wie seine Kutte. »Professor von Schlichten meint es sicher nicht so. Sie haben in letzter Zeit viel mitgemacht, William. Gehen Sie sich ausschlafen.«
    William wollte sich verteidigen, doch er ließ es. Er war selbst dazu zu müde. Was wussten die anderen auch schon von seinen verflixten Albträumen? Er verließ das Maschinendeck langsam in der Absicht, in sein Quartier zu gehen und wenn schon nicht zu schlafen, sich so doch wenigstens auszuruhen.
    Doch auf halbem Weg kamen die Ängste wieder. Was, wenn er wieder einschlief? Diesmal half die Ausrede, da wäre schlimmstenfalls nur ein harmloser Traum, nicht weiter. Die Panik war da. Er konnte sich selbst nicht mehr täuschen.
    Er blieb stehen.
    Er dachte an Rana und was sie heute Morgen gesagt hatte. Sie hatte recht, er musste endlich etwas unternehmen. Nicht, um mehr Schlaf zu bekommen. Hier ging es um etwas anderes.
    William ging in einen kleineren Besprechungsraum, einem, der ein Bullauge ins All besaß und versuchte dort, seine Gedanken zu ordnen. Wie lange er dort vor einem Becher sirianischen Grüntees mit Guarana saß, wusste er nicht. Er rief sich erneut den letzten, besonders deutlichen Albtraum ins Gedächtnis: Die Figuren, die ihm im Traum immer wieder folgten, waren verhüllt, ihre Gesichter nicht erkennbar, egal, wie nahe sie ihm kamen. Das war auch diesmal so gewesen, doch letzte Nacht hatte er zum ersten Mal gesehen, wie diese bedrohlichen Gestalten, die sich ihm immer wieder näherten, entstanden waren.
    Sie hatten sich direkt vor ihm aus wirbelndem Sand gebildet.
    Aus wirbelndem Sand.
    William Beauforts Gedanken schweiften ab. Das Bild kannte er von irgendwoher. Er hatte einmal mit einem der Meister seines Ordens gesprochen, mit Meister Daniel. Das Thema war das Wissen gewesen, und welche Rolle es in der Glaubensstruktur des Ordens spielte. Dabei hatte Meister Daniel eine Anspielung auf Saint Garran gemacht, den Begründer des Christophorer-Ordens und dem, was ihn veranlasst hatte, das Kloster ins Leben zu rufen.
    In seinem Gedächtnis suchte er wieder und wieder nach dem genauen Wortlaut des Gesprächs. Es hatte etwas mit dem Wissen zu tun und welche Gestalt es annehmen konnte – und was Saint Garran damals zur Erkenntnis verholfen hatte, dass es das Wissen war, das jeder Erleuchtung zugrunde lag …
    Doch er konnte sich nicht erinnern.
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