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Sternenfaust - 055 - Krieg in der Hohlwelt (1 of 2)

Sternenfaust - 055 - Krieg in der Hohlwelt (1 of 2)

Titel: Sternenfaust - 055 - Krieg in der Hohlwelt (1 of 2)
Autoren: Luc Bahl
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Laut den Priestern handelte es sich dabei um die dritte der fünf Emanationen, mit der sich Rrre, der Alleserschaffer, der Welt mitteilte. Die beiden ersten Emanationen: Licht und Wärme gehörten zu den sogenannten offenen Zeichen, mit denen sich der Gott seinen Geschöpfen zeigte. Der Zeitimpuls war der deutlichste der drei verborgenen Emanationen, von denen die vierte nur den Priestern vorbehalten war und die fünfte zum Geheimwissen der drei Oberpriester, dem Abgesandten und dem Kazan gehörte.
    Kanturiol hatte aber auch schon Ketzermeinungen vernommen, dass es sich bei der ersten verborgenen Emanation um das unsichtbare Pulsieren des alles erleuchtenden Zentrallichts, dem Zentrum ihrer Welt, handeln solle. Ihm war es im Grunde egal, sollten sich die Gelehrten um derartige Spitzfindigkeiten streiten. Wie jeder Elitesoldat eines gefürsteten Herrschers über eines der Länder, die von Rrres alles sehenden und alles erleuchtenden feurigen Blicks beschienen wurden, spürte er genau das Verrinnen jener kostbaren Zeitgabe, die das Himmelsauge jedem Lebewesen geschenkt hatte.
    Erstaunt sah er, dass Tränen aus Odiras Augenwinkeln flossen. Augenblicklich wurde ihm heiß ums Herz. Er bekam weiche Knie und schalt sich gleichzeitig innerlich einen Tölpel, dass er so unvermittelt auf den ältesten Trick, über den die Frauen seit Alters her verfügten, hereinfiel: Mitleid zu erzeugen. Sofort verhärtete sich seine Miene wieder.
    »Versuch nicht, mich mit billigen Tricks hereinzulegen«, zischte er wütend und wollte sich umdrehen, um weiterzumarschieren. Doch Odira hatte sich auf den Boden gesetzt und hielt ihm mit jetzt wieder gewohnt verächtlichem Blick ihren rechten Fuß entgegen. Die Sohle wies an einigen Stellen Risse auf.
    »Na und«, wollte er schon sagen, »meine Stiefel sehen nicht viel besser aus. Es war deine Entscheidung die zarten Tanzschühchen des Adels gegen das Schuhwerk des Soldaten zu tauschen …« Doch er biss sich auf die Zunge.
    Aus dem größten der Risse drang eine Flüssigkeit durch die Sohle. Blut.
    »Seit wann hast du das?«
    »Seit gestern«, antwortete Odira.
    »Warum hast du nicht eher was gesagt …«
    Er versuchte die Schnallen zu lösen, um ihr den Stiefel vom Bein zu ziehen.
    »Lass mich das machen«, bat sie.
    »Nein«, knurrte er. »Damit du mir, sobald ich mich auf deine Wunde konzentriere, den Knüppel über den Schädel ziehst, der neben dir liegt. Kommt nicht in Frage …« Mit einem Ruck zog er den Stiefel vom Bein. Der Strumpf, der über fein gearbeitete Löcher für die Krallen verfügte, hatte sich mit Blut vollgesogen. Kanturiol sah, dass rasch weiteres Blut nachströmte. Er blickte in den Stiefel, griff hinein und riss den nagellangen Dorn, der sich durch die Sohle gearbeitet hatte, heraus.
    »Bleib ruhig«, befahl er und zog auch den Strumpf vom Fuß. Wie alle Jäger verfügte er über ein flaches Päckchen Verbandszeug in der Innentasche seines Wamses, riss es auf und entfaltete einige mit Fennkrautsud getränkte Stoffstreifen.
    Es war nicht die erste Verletzung, die er behandelte. Aber selten war eine ungelegener gekommen. Er befand sich kurz vor dem Ziel, das er heute noch zu erreichen gehofft hatte, und nun dies.
    »Hast du einen Ersatzstrumpf dabei?«, fragte er Odira.
    »Nein. Ich war nicht auf einen längeren Weg eingerichtet.«
    »Dann musst du es damit versuchen.« Kanturiol griff in seine Gürteltasche, in der er eine zusammengerollte Regenhülle, die er noch nicht gebraucht hatte, und etwas Ersatzwäsche steckte. Er rollte den Strumpf über den frischen Verband, der so noch zusätzlich gehalten wurde. Als er sich den Stiefel vornahm, um ihn von innen zu säubern, sank Odiras verletzter Fuß nach unten und blieb auf seinem Oberschenkel liegen. Sie unternahm keinerlei Anstrengungen, um ihn dort wegzuziehen. Er spürte die Hitze, die von ihrem Fuß ausging und sich wie ein Fieber auf sein Bein übertrug. Langsam kroch die Wärme höher.
    »Ich weiß, wo du hinwillst«, sagte sie plötzlich, während er mit einigen Blättern im Inneren ihres Stiefels herumputzte.
    »Das ist ja auch nicht schwer zu erraten«, knurrte er. »Warum hattest du Ausgang? Warum durftest du das Lager verlassen?«
    »Ich habe einen Auftrag«, antwortete sie knapp. Es entging ihm nicht, dass für sie dieser Befehl noch immer Gültigkeit besaß.
    »Du willst mir nicht verraten, um was für einen Auftrag es sich gehandelt hat …«
    »Warum sollte ich«, erwiderte sie schnippisch. »Man hat mich
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