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Sterbestunde - Hübner, M: Sterbestunde

Sterbestunde - Hübner, M: Sterbestunde

Titel: Sterbestunde - Hübner, M: Sterbestunde
Autoren: Michael Hübner
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»Komm, lass uns verschwinden. Ich kann’s kaum erwarten, von hier wegzukommen. Du hast meinen Wagen doch abgeholt, oder?«
    Sven sah ihn betreten an.
    »Ich hab dir doch die Schlüssel gegeben, bevor sie mich ins Krankenhaus gebracht haben, und dich gebeten, den Wagen mit zu dir zu nehmen, weißt du nicht mehr?«
    »Doch …«, begann Sven zaghaft.
    »Aber?« Koschnys Blick wurde hart. »Wo ist mein Mercedes?«
    »In der Werkstatt.« Sven flüsterte beinahe.
    Koschny sah ihn durchdringend an.
    »Na ja«, druckste Sven, »da ich, wie du ja weißt, selbst ein bisschen gehandikapt bin, habe ich einen Kollegen gebeten, deinen Wagen abzuholen. Tja, und der hat wohl einen Moment nicht aufgepasst … Ist nicht weiter schlimm. Nur ein Scheinwerfer und die Stoßstange haben was abgekriegt. Ist wirklich nur ein Kratzer.« Kleinlaut stand er vor dem Bett und wartete auf die Explosion.
    Koschny betrachtete ihn emotionslos. »Auf dir liegt nicht zufällig ein Fluch oder so was?«
    »Ehrlich, es tut mir leid.«
    »Hey, schon gut«, wehrte Koschny ab. »Krieg dich wieder ein. Ist schließlich nur ein Auto, oder?«
    Sven atmete erleichtert auf. »Nur ein Auto, genau.«
    »Können wir jetzt gehen – egal, zu welchem Auto? Ich will hier raus.«
    »Natürlich. Aber macht es dir was aus, schon vorzugehen? Ich … Ich würde nämlich gerne noch jemanden besuchen.«
    Koschny sah ihn verständnislos an. Dann begriff er. »O ja, sicher. Geh nur, ich komme schon klar.«
    »Lass deine Sachen einfach hier stehen. Ich bring sie nachher mit.«
    »Nein, ist nicht nötig. Ich bitte einen von den Pflegern. Die sind ohnehin froh, wenn sie mich los sind. Hab mich ständig über das Essen beschwert.«
    Sven musste grinsen. »Hier sind die Schlüssel. Es ist ein blauer Opel. Das Kennzeichen steht auf dem kleinen Anhänger hier.«
    »Ein Dienstwagen«, stellte Koschny fest.
    »Ja. Dauert auch nicht lange, versprochen.«
    »Nein, lass dir ruhig Zeit. Ich überwache solange den Polizeifunk. Und das hier nimmst du wohl lieber mit.« Er warf Sven den Blumenstrauß zu. »Sie kann bestimmt mehr damit anfangen.«
    Seine Handflächen schwitzten, als er auf die Türklinke drückte. Im Gegensatz zu Koschny musste Sandra sich das Zimmer mit zwei anderen Patientinnen teilen. Als er eintrat, war jedoch außer ihr nur eine ältere Frau anwesend. Sie lächelte ihm zu, legte ihre Zeitschrift weg und zog ihren Bademantel über. Sven bedankte sich leise bei ihr, als sie den Raum verließ. »Hier, für dich«, sagte er und gab Sandra den Blumenstrauß.
    »Wie lieb von dir, danke.« Ihr Gesicht hatte wieder Farbe. »Ich bitte nachher die Schwestern um eine Vase.«
    »Wie geht es dir?«, fragte Sven und setzte sich an ihr Bett. Neben ihr lag ein aufgeklapptes Taschenbuch.
    »Ich bin wieder okay. Der Verband ist ab.« Sie deutete auf ihre Haare, die noch immer eng am Kopf anlagen. »Und morgen werden die Fäden gezogen. Dann kann ich nach Hause.«
    »Das ist schön. Ich wäre ja schon früher gekommen …« Aber ich hatte Angst davor , schaltete sich ein Gedanke dazwischen. »Aber dieser Fall, an dem wir da gearbeitet haben …«
    »Ich weiß«, sagte sie. »Hier im Krankenhaus sprechen sie von nichts anderem. Ständig hört oder liest man etwas darüber. Es heißt, du wärst angeschossen worden.«
    »War nicht weiter schlimm«, wiegelte er ab. »Nur die Schulter.« Er achtete nicht auf den pochenden Schmerz, als er den Arm hob, um ihr die Stelle zu zeigen.
    Behutsam nahm sie seine Hand. »Ich glaube, was Hofer angeht, muss ich mich bei dir entschuldigen. Du hattest recht mit deinen Behauptungen. Und das alles hat sich direkt vor meiner Nase abgespielt. Ich kann nicht begreifen, wie ich mich so in einem Menschen täuschen konnte.«
    »Ich glaube, du hast dich gar nicht so sehr getäuscht«, sagte er und erwiderte ihren sanften Händedruck. Er genoss die Wärme ihrer Berührung. »Hofer ist nur aus Verzweiflung in diese Geschichte hineingeraten. Und ich bin sicher, er wollte vieles wiedergutmachen.«
    »Was passiert denn nun mit dem Heim?«
    »Ich würde sagen, das hängt davon ab, wie viele der Bewohner nach diesem Vorfall dort bleiben wollen. Und davon, ob sich ein Investor findet, wenn die Staatsanwaltschaft die Untersuchungen abgeschlossen hat.«
    »Das dürfte ziemlich lange dauern«, seufzte Sandra.
    »Die Menschen vergessen schnell.«
    »Ich werde mich wohl nach einer neuen Stelle umsehen müssen. Nach alldem könnte ich auch gar nicht weiter dort arbeiten.
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