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Sterbestunde - Hübner, M: Sterbestunde

Sterbestunde - Hübner, M: Sterbestunde

Titel: Sterbestunde - Hübner, M: Sterbestunde
Autoren: Michael Hübner
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und deutete auf die gegenüberliegende Wand. Das Logo einer Nachrichtensendung glitt über den stummen Bildschirm des Fernsehers. Koschny griff nach der Fernbedienung und schaltete den Ton wieder ein.
    Der Aids-Skandal um das Koblenzer Pharmaunternehmen MediTech zieht weitere Kreise. Nachdem die Polizei die Büros der Frankfurter Firma Soheim GmbH durchsucht hatte, wurden gestern Abend Haftbefehle gegen insgesamt neun Mitarbeiter dreier weiterer Pflegeheime erlassen, die unter dringendem Verdacht stehen, im Auftrag des Unternehmens nicht zugelassene medizinische Tests an den Bewohnern durchgeführt zu haben. Drei der Verdächtigen sind noch flüchtig. Ein weiterer soll bereits ein umfassendes Geständnis abgelegt haben; eine offizielle Stellungnahme seitens der Behörden liegt jedoch noch nicht vor. Wie ein Sprecher der Polizei mitteilte, ist mit weiteren Verhaftungen zu rechnen.
    Erstmals hat sich heute auch der Vorsitzende des Stadtrates und stellvertretende Oberbürgermeister der Stadt Koblenz, Dr. Eberhard Kilian, öffentlich zu dem Skandal geäußert.
    Eine kurze Reportage wurde eingespielt.
    »Ich bin erschüttert«, verkündete Kilian, der auf den Stufen des Rathauses stand, umringt von Reportern, die ihm gierig ihre Mikrofone entgegenstreckten. »Und im Namen der Stadt Koblenz möchte ich allen Opfern und ihren Angehörigen mein tiefstes Bedauern aussprechen. Ich versichere Ihnen, dass ich mein Möglichstes tun werde, damit diese ungeheuerlichen Vorfälle lückenlos aufgeklärt werden.«
    »Stimmt es, dass die Stadt jahrelang Spenden von dem betreffenden Pharmaunternehmen erhalten hat?«, fragte einer der Reporter.
    »Das ist richtig«, bestätigte Kilian in sachlichem Tonfall. »Wie auch von anderen namhaften Firmen dieser Region. Diese Spendengelder fließen ausnahmslos in einen von mir eingerichteten Fonds zur Förderung junger, innovativer Unternehmen.«
    »Waren Ihnen die Machenschaften der Pharmagruppe bekannt?«
    »Nein, zu keinem Zeitpunkt! Und ich möchte hier auch ausdrücklich betonen, dass ich dieses Vorgehen in keinster Weise billige oder unterstütze. Ich kann nur hoffen, dass sich so etwas nicht wiederholt.«
    »Heißt das, Sie werden das Spendenprogramm weiterhin aufrechterhalten?«
    »Es war immer mein erklärtes Ziel, die Wirtschaft dieser Region zu fördern, um mehr Arbeitsplätze zu schaffen und zu sichern. Ohne die Unterstützung finanzkräftiger Geldgeber ist das jedoch nicht zu verwirklichen. Daher sehe ich keinen Anlass, meine Grundsätze über Bord zu werfen. Und ich werde auch weiterhin alle Möglichkeiten ausschöpfen, um dieses Vorhaben weiter …«
    Der Bildschirm wurde dunkel. Sven hielt den Aus-Schalter der Fernbedienung noch einen Moment lang gedrückt, ehe er sie wütend auf das Bett schleuderte.
    »Man kann nicht immer gewinnen«, sagte Koschny nach einigen Sekunden des Schweigens.
    »Ja«, seufzte Sven, »ich weiß. Es ist nur … diese eiskalte Abgezocktheit.«
    »Das ist wohl die Grundvoraussetzung in diesem Job.«
    »Der Kerl kann froh sein, dass Hees nicht mehr gegen ihn aussagen kann. Wahrscheinlich war er der Einzige, der ihn hätte belasten können.«
    »Tja, dass es nicht dazu kommt, ist ja wohl mir zuzuschreiben.«
    Sven sah Koschny streng an. »Rede doch keinen Unsinn!«, fauchte er ihn an. »Du hast uns beiden das Leben gerettet. Also hör endlich auf, dir deswegen Vorwürfe zu machen.«
    »Schon gut, du brauchst nicht gleich so hochzugehen.«
    »Entschuldige. Ist wohl eine alte Gewohnheit.« Er sah zu, wie Koschny die Zeitungen neben seiner Tasche auf dem Boden deponierte. »Was wirst du jetzt machen? … Ich meine, nach dieser Geschichte bist du doch sicher ein gefragter Mann, oder?«
    »Ach, weißt du«, meinte Koschny und lehnte sich entspannt zurück, »ich denke, wenn mein Fuß es erlaubt, mache ich erst mal Urlaub. Mir schwebt da eine Insel in Malaysia vor. Irgendwo, wo es keine Zeitungen gibt. Mal sehen, vielleicht auch eine Kreuzfahrt. Ich habe da nämlich eine nette Kollegin, die mir so viel Romantik nicht zutraut. Bin jetzt schon gespannt, wie sie reagiert, wenn ich sie frage, ob sie mitkommen will.«
    »Ein ehrgeiziger Kerl wie du, eingesperrt auf einem Kreuzfahrtschiff? Das passt nicht zusammen, da muss ich der Frau recht geben.«
    Koschny schwang vorsichtig die Beine über die Bettkante. »Ein wenig Ehrgeiz in Ehren, aber zu viel davon macht einsam.« Er griff nach den Krücken, die neben dem Bett an der Wand lehnten, und stemmte sich hoch.
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