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Sterben auf Italienisch - Ein Aurelio-Zen-Roman

Titel: Sterben auf Italienisch - Ein Aurelio-Zen-Roman
Autoren: Michael Dibdin
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erwarten konnte, seine Aufgaben und Pflichten als Polizeichef der Provinz zu übernehmen, deren erste darin bestand, Zen die Tür zu weisen.
    »Sie haben ganz bestimmt Ihr Bestes getan, aber wir sind hier nicht in den Lagunen von Venedig!«, verkündete Monaco. »Nein, wirklich! Kalabrien - oder die kalabrische Region, wie ich diesen einzigartigen Landstrich lieber bezeichne, der so vielfältig und doch in sich so geschlossen ist, ein endloses Rätsel und eine grenzenlose Freude zugleich - ist ein ganz besonderer Teil der Welt, veramente molto particulare. Molto, molto, molto! Ich habe großes Mitgefühl mit Ihnen, lieber Kollege. Ihr Fehlschlag muss sehr schmerzhaft für Sie sein, aber ich bezweifle, ob irgendein anderer Ortsfremder das viel besser gemacht hätte, wenn Ihnen das ein Trost ist. Mit der Aufgabe, die Sie übernommen haben, waren Sie einfach überfordert. Denn nur jemand, der das große Glück hatte, hier geboren und aufgewachsen zu sein, kann überhaupt hoffen, dieses außergewöhnliche Land und seine noch außergewöhnlicheren Menschen je zu verstehen und instinktiv zu wissen, wie man mit ihnen umgeht.«
    Zen war versucht gewesen zu erwidern, dass er sich zumindest nicht in den Fuß geschossen hatte, aber letztlich war er einfach hinausgegangen und hatte dem triumphierenden Monaco das Feld überlassen. Zwar waren die Razzien in den beiden Häusern in San Giovanni in Fiore reibungslos verlaufen und hatten eine Fülle an Beweismaterial gebracht. Außerdem konnten fünf mutmaßliche Komplizen von Giorgio festgenommen werden. Zwar war Zen die ganze Nacht aufgeblieben, um Letztere zu verhören, und hatte einem von ihnen das Geständnis entlockt, dass Peter Newman tatsächlich ganz normal entführt worden war, um Lösegeld für ihn zu kassieren, doch als Mantega die Information weitergegeben hatte, dass der wirkliche Name des Opfers Calopezzati war, hatte sich Giorgio in einen Wutanfall hineingesteigert und geschworen, dass er sterben müsse. Pietro Ottavio bekam drei Tage lang nichts zu essen und zu trinken, dann sagte man ihm, er müsse Buße tun für die Sünden seiner Vorfahren, indem er zu Fuß einen mühseligen und demütigenden Pilgergang zu ihrer ehemaligen Festung in Altomonte machte, um dort um Vergebung zu bitten. Anschließend könne er gehen.
    Unter anderen Umständen wäre all das vielleicht als große Leistung angesehen worden. Doch so, wie die Dinge lagen, war Zen vom prefetto , vom Untersuchungsrichter und von einer Reihe hoher Beamter beim Ministerium in Rom heruntergeputzt worden, abgesehen davon, dass er den ganzen Tag vor einer Meute von Zeitungs- und Fernsehreportern hatte fliehen müssen. Selbst Giovanni Sforza mied ihn beharrlich, als wäre er Überträger eines tödlichen Virus. Letztlich blieb ihm nichts anderes übrig, als abzureisen.
    »Il treno regionale 22485 proveniente da Paola viaggia con un ritardo di circa dieci minuti.«
    Ein Windstoß fegte mit sinnloser Heftigkeit über den Bahnsteig. Zen versuchte, sich Lucca und sein dortiges Leben mit Gemma vorzustellen, aber es gelang ihm nicht. Nur das eigentümliche Grab ihrer Schutzheiligen schien ihm wirklich, alles andere eine Illusion.
    »Buona sera, signore.«
    Eine alte Dame und ein etwa fünfzehnjähriger Junge standen vor ihm und sahen ihn an.
    »Signora Maria, buona sera.«
    »Darf ich Ihnen meinen Enkel vorstellen? Wir wollen hier meine Schwester abholen. Geh in den Laden im Bahnhof, Sabatino, und kauf mir eine Rolle Pfefferminz. Hier sind fünf Euro. Für den Rest darfst du dir etwas kaufen.«
    Der Junge lief los.
    »Danke«, sagte Maria, sobald er außer Hörweite war.
    Zen sah sie erstaunt an. »Wofür?«
    »Dass Sie diese Bestie getötet haben.«
    »Aber ich …«
    »Es musste getan werden. Nun können wir alle wieder ruhig schlafen.«
    » Signora , ich …«
    »Sie sind ein echter Mann, so wie es sie heute nicht mehr gibt. Ihre Frau kann sich glücklich schätzen. Möge Gott Sie segnen und immer behüten.«
    »Hören Sie, ich glaube, Sie …«
    Aber Maria hörte ihm nicht mehr zu. Ihr Gesicht war abgewandt und voller freudiger Erwartung.
    »Ah, da kommt ja der Zug!«, sagte sie.

Dank
    Ich bin Maurizio und Mirella Barracco für ihre Hilfe und Gastfreundschaft zu großem Dank verpflichtet. Literatur ist eine anspruchsvolle Herrin, und Geografie ein strenger Meister. Deshalb war ich gezwungen, mir das ehemalige Landgut der Baronsfamilie Barracco anzueignen und einem degenerierten Clan zu übergeben, der den wirklichen
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