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Sterbelaeuten

Sterbelaeuten

Titel: Sterbelaeuten
Autoren: Endemann
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sollen dem Weihnachtsbaum vorm Rathaus fernbleiben“, sagte Paul schließlich schon halb im Weggehen.
    „Wieso, haben sie was angestellt?“ Elisabeth war alarmiert.
    „Noch nicht“, sagte Paul. „Aber ich hab da so ein Gefühl. Sie haben jedenfalls ein auffälliges Interesse an der Lichterkette gezeigt …“
    Als Pfarrerskind hatte man es schwer, dachte Elisabeth, als sie die letzten Meter nach Hause ging. Das ganze Dorf weiß, wer du bist, und wenn irgendwo irgendwas passiert ist, erinnert sich garantiert jemand daran, dass jedenfalls die Pfarrerssöhne mit von der Partie gewesen sind.
    Die Fenster des „Alten Schulhauses“ leuchteten einladend. Den Baum vor der Gaststätte zierte eine überdimensionierte Lichterkette. Elisabeth dachte an den Baum vor der katholischen Kirche, der seit einigen Jahren mit einer Lichterkette geschmückt wurde, die den besinnlichen Charme einer Duschhaube hatte. Sie hatten etwas um sich gegriffen, diese Lichterketten, fand Elisabeth. Sie nahm sich vor, die Zwillinge zu warnen, dass sie sich unter polizeilicher Beobachtung fühlen durften.
    –
    Am Abend saß Markus auf der Fensterbank im dunklen Zimmer von Marlene und sah hinüber zur Küsterwohnung im dritten Stock des Gemeindehauses. Marlene war im Badezimmer. Elisabeth wusch ihr die Haare. Markus saß am Rand, halb hinter der Gardine und starrte zum vierten Fenster von rechts, das schwach erleuchtet war. Miriams Zimmer. Er sah, wie sie im Zimmer hin- und herging. Er wusste, dass dort Poster von Robert Pattinson hingen, und seufzte. Jetzt kam Miriam ans Fenster und Markus schreckte etwas zurück. Sie zog die Vorhänge zu und war dahinter nur noch als Silhouette zu erkennen. Sie bewegte sich. Ob sie sich auszieht?, dachte Markus und wurde bei dem Gedanken bis zu den Haarwurzeln rot, obwohl ihn keiner sehen konnte.
    „Was machst du in meinem Zimmer?“
    Markus fiel von der Fensterbank. Marlene stand im Schlafanzug und mit nassen Haaren in der Tür und machte das Licht an. Dann stemmte sie ihre Hände indigniert in die Hüften. Es war klar, dass sie eine Antwort erwartete.
    „Ich wollte gucken, ob es schneit.“ Markus ging mit großen Schritten aus dem Zimmer und hoffte, Würde und Autorität auszustrahlen. „Und jetzt reg dich ab.“
    „Denkst du, es schneit nur auf der einen Seite des Hauses?“, rief Marlene ihm nach.
    Markus setzte sich an seinen Schreibtisch. Er saß eine Weile da, dann schob er den angefangenen Fischertechnik-Kran beiseite, legte die Taschenlampe in die Schublade, stapelte einige Donald Duck-Bücher aufeinander und wischte Reste vom Spitzen und Papierschnipsel vom Tisch in den Papierkorb. Er nahm ein Blatt Papier und schrieb:
    „Liebe Miriam ,
    du bist sehr schön. Und lustig. Ich weiß, dass du Robert Pattinson magst. Aber vielleicht gehst du mit mir ein Eis essen, wenn die Eisdiele wieder aufhat. Ich will dich nämlich heiraten .
    Dein Markus“
    „Was schreibst du da?“ Lukas kam zur Tür herein. „Und wo warst du die ganze Zeit, ich habe dich gesucht.“
    „Nix.“ Markus faltete das Papier klein zusammen und steckte es in die Hosentasche. Geschwister waren eine Pest.
    „Mama ist irgendwie hinter die Sache mit der Lichterkette gekommen“, sagte er, um Lukas abzulenken. „Kramer hat uns beobachtet.“
    „Und jetzt?“
    „Wir halten erst mal die Bälle flach, konzentrieren uns auf den Glockenturm.“
    –
    Alicja wischte sich die Tränen aus den Augen und schnäuzte sich ins Taschentuch. Der alte Reisebus hatte den Krakauer Bahnhof mitsamt Josef, ihrem Mann, hinter sich gelassen. Es war vier Uhr morgens, draußen war es dunkel. Nur hier und da leuchteten vereinzelte Reklamen von Firmen, die es sich leisten konnten, die ganze Nacht auf sich aufmerksam zu machen.
    Alicjas jüngerer Sohn Karol hatte morgen Geburtstag und sie würde nicht da sein. Karol wurde drei. Im Auto auf dem Weg zum Bahnhof hatte Alicja Josef gebeten, dass er Karols Geburtstag einfach unter den Tisch fallen lassen sollte, bis sie am Freitag wieder da wäre. Aber davon wollte Josef nichts wissen. Und er hatte ja recht, Karols großer Bruder Adrian mit seinen sechs Jahren würde dabei niemals mitspielen. Schließlich hatte er schon ein Geschenk für Karol. Statt mit ihrem Baby Geburtstag zu feiern, würde Alicja deutsche Büros putzen.
    „Kannst du nicht eine Woche Urlaub nehmen?“, hatte Josef gefragt. Sie zuckte bei der Erinnerung an den resignierten Ton in seiner Stimme zusammen. „Es ist ja nicht so, als wärst du
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