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Stelzvogel und Salzleiche

Stelzvogel und Salzleiche

Titel: Stelzvogel und Salzleiche
Autoren: Niklaus Schmid
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Stichwort!«, presste ich hervor, stieß mich von der Tür ab und machte zwei schnelle Schritte auf ihn zu.
    Ich nahm ihm die Zigarette aus dem Mund und schlug ihm mit dem Handrücken ins Gesicht, einmal, zweimal.
    »Schreiben Sie eine Abhandlung darüber, der Neandertaler in der modernen Gesellschaft! Zeigen Sie mich an, mir egal.
    Bevor ich hier rausgehe, will ich hören, dass Sie helfen werden, Irene Gorgas hinter Schloss und Riegel zu bringen.«
    Mit der Linken fasste ich seinen Hals, mit der Rechten holte ich aus.
    Seine Augen weiteten sich, ein Zittern ging durch seinen Körper. »Bitte, nicht… ich… einverstanden«, gurgelte er.
    Ich ließ die Hand sinken.
    Natürlich bestand die Gefahr, dass er es sich später anders überlegen würde. Das musste ich riskieren. Auch das Risiko, mich später als Schwein zu fühlen, hatte ich eingehen müssen.
    Die Backpfeifen hatte er verdient; gegenüber Cetins Verletzungen und der Behandlung, die mein empfindlichster Körperteil in Irenes Hobbyraum erlitten hatte, waren die Schläge nur Wangenstreiche gewesen.
    Jemand klopfte an die Tür. Eine Stimme, gedämpft durch die Polsterung, rief: »Herr Kelian, alles in Ordnung da drinnen?«
    Es war wohl der Nachtredakteur. Ich lockerte den Griff an Kelians Gurgel, sah ihm fest in die Augen.
    »Alles klar«, rief er zurück.
    52.
    Beim Inder in der Hansastraße besorgte ich die Zutaten für ein Currygericht, die rote Vindaloo Gewürzpaste, eine
    Ingwerwurzel, Reis, Tomaten, Gemüsezwiebeln und
    Knoblauch; beim türkischen Metzger kaufte ich noch eine Lammkeule, dann fuhr ich nach Hause und machte mich an die Arbeit: Die fein gehackte Zwiebel und die zerkleinerte Knoblauchzehe in zwei Löffel Olivenöl glasig gelb schmoren, das gewürfelte Lammfleisch kurz anbraten, die daumengroße gehackte Ingwerwurzel, zwei bis drei Teelöffel Currypaste und zwei geviertelte Tomaten hinzufügen, mit einer halben Tasse Wasser ablöschen – das Ganze auf kleiner Flamme kochen lassen, bis das Fleisch gar ist. Anmerkung: Falls zu scharf, mit Joghurt oder Kokosmilch abschmecken.
    Zu scharf? Nein, gerade richtig!
    Als Cetin eintraf, machte ich das Feuer unter dem Reistopf aus.
    »Was ist los?«, wollte ich wissen, weil er in übertriebener Manier seine Zähne bleckte. »Großen Hunger?« Und dann sah ich es: In seinem Mund blinkte es, als hätte die Fee aus einem Werbespot mit ihrem Zauberstab Cetins obere Zahnreihe berührt. »Oh, nein!«
    »Oh, doch! Gold plus Brilli. Wenn schon, denn schon.«
    Als Tom Becker zur Tür hereinkam, war der Tisch gedeckt.
    Wir aßen, wir tranken und dann stellten wir gemeinsam die Verdachtsmomente gegen Kelian zusammen. Es waren die Fakten, die Tom Becker über das so genannte Zwei-Säulen-System zusammengestellt hatte, sowie die restlichen Ergebnisse von Cetins Datenrettung.
    Für mich war die Sache eindeutig: Irene zu überführen dürfte nicht allzu schwer sein. Lag Kelians Anzeige erst mal auf dem Tisch der Polizei, müsste der Anfangsverdacht ausreichen, um ein Ermittlungsverfahren gegen Irene einzuleiten und ihr mit richterlichem Beschluss eine Speichelprobe abzuverlangen.
    Die Beamten von der Spurensicherung würden sicher auch in van Eickens Volvo Beweise finden, ein Haar von ihr auf den Polstern, ein Hautpartikel auf der Kleidung des Opfers. Viel schwieriger würde es mit der Beweisführung gegen Kelian sein. Der Mensch verliert pro Minute immerhin Tausende von Körperzellen, aber Worte, nicht mal die schmutzigsten, die hinterlassen nun mal keine DNA-Muster.
    Also, Worte gegen Worte.
    Ein guter Redakteur sollte im Stande sein, auch einen ziemlich verwickelten Sachverhalt knapp und anschaulich darzustellen. Tom Becker besaß dieses Talent, ich bat ihn um Formulierungshilfe. Mit zwei, drei Anläufen brachte er den Fall auf den Punkt.
    »Also«, sagte er am Schluss, »so würde ich es in einem Bericht bringen – natürlich erst nach einer Festnahme und immer mit dem Zusatz: der an den Taten mutmaßlich
    Beteiligte Gregor K. vom Kommerzsender Radio Vital und so weiter und sofort. Festlegen kann ich mich jedoch schon, was das Essen betrifft: Spitze!«
    »Super scharf und gut«, stimmte Cetin ihm zu.
    Das war ja schon etwas.
    Eine Kleinigkeit fehlte mir noch. Um die Rivalität zwischen Kelian und dem Chef von Radio Vital darlegen zu können, wollte ich wissen, wie der Sender aufgebaut war. Becker erklärte es mir, zunächst etwas ausschweifend, dann nahezu druckreif: »Die Struktur des Senders müssen Sie sich
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