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Stein und Flöte

Stein und Flöte

Titel: Stein und Flöte
Autoren: Hans Bemmann
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die Zweifel im Gesicht des anderen bemerkte, fügte er hinzu: »Ja, das werde ich, und zwar jetzt gleich.«
    Jetzt lächelte der Pferdeknecht, und es kam Lauscher so vor, als sei dies das nachsichtige Lächeln eines Erwachsenen über die Motive eines Kindes, das noch keine Vorstellung hat von der Welt, in der es lebt. Dann verschwand dieses Lächeln wie weggewischt aus dem Gesicht des Pferdeknechtes, und er sagte: »Du wirst ihn nicht finden.«
    »Das laß meine Sorge sein«, sagte Lauscher brüsk, drehte sich um und verließ den Stall.
    Er ging geradewegs ins Schloß zurück und fragte den erstbesten Diener, der ihm über den Weg lief, nach dem Verwalter. Der Diener blickte ihn erschrocken an und sagte: »Den wirst du jetzt nicht finden.« Das hatte Lauscher eben schon einmal gehört, und es schien ihm jetzt an der Zeit zu sein, diese Frage zu klären. »Zeige mir sein Zimmer!« befahl er. Doch der Diener rührte sich nicht von der Stelle, fing an zu zittern und stammelte: »Ich kenne es nicht.«
    Lauscher hatte das Gefühl, gegen eine Mauer zu rennen. »Dann sage mir, wer es mir zeigen kann!« stieß er zornig hervor. Der Diener schüttelte nur stumm den Kopf. Da ließ Lauscher ihn stehen und stürmte in den Saal, um Gisa zu fragen. Doch sie war schon gegangen.
    Er fand sie im Schlafzimmer. Gisa stand nackt am Fenster im kalten Licht des Mondes und blickte hinaus in die Nacht, eine makellose Marmorstatue, deren Schönheit Lauscher die Sprache verschlug. Eine Zeitlang starrte er auf die reglose Gestalt und wagte nicht, sich zu bewegen, als könne er dadurch dieses Traumbild verjagen. Doch es war kein Traumbild; denn Gisa sagte unvermittelt und ohne sich ihm zuzuwenden: »Hast du dich endlich von deiner Stute trennen können?«
    »Sie ist verletzt«, sagte Lauscher und berichtete ihr, was er von dem Pferdeknecht erfahren hatte. »Wo kann ich den Verwalter finden?« fragte er schließlich.
    Da fuhr Gisa herum und sagte scharf: »Jetzt nicht.« Lauscher erschrak und blickte sie ratlos an. Da kam sie auf ihn zu und sagte: »Laß das jetzt! Das hat bis morgen Zeit. Willst du die ganze Nacht mit den Gedanken an dein Pferd verschwenden?« Lauscher schüttelte den Kopf, und während er ihr in die Augen schaute, vergaß er alles, was er sie hatte fragen wollen. »Komm«, sagte Gisa, »laß mich dein weiches Fell kraulen.«
    Am nächsten Morgen sprach Lauscher mit dem Verwalter. »Du solltest diesen Leuten nicht trauen«, sagte der Alte mürrisch. »Dieser Pferdeknecht sucht nur eine Gelegenheit, um davonzulaufen.« Doch Lauscher ging es jetzt um seine Stute, und er dachte daran, wie sorgsam dieser Mann mit ihr umgegangen war. »Er kennt die richtigen Kräuter, also muß man sie ihn suchen lassen«, sagte er.
    »Wenn du meinst«, knurrte der Verwalter. »Aber ich werde ihm einen meiner Männer mitgeben, damit er nicht auf dumme Gedanken kommt.«
    Damit mochte der Verwalter recht haben, dachte Lauscher. Ein sonderlich fügsamer Diener schien dieser Pferdeknecht nicht zu sein. Lauscher sah sich wieder vor diesem Mann stehen und verspürte nachträglich Zorn darüber, wie dieser Stallbursche ihn seine Überlegenheit hatte spüren lassen. Gisas Knechte würden schon wissen, wie sie mit solchen Leuten umzugehen hatten. Kurze Zeit später sah er, wie der Pferdeknecht mit einem der gelbäugigen Männer das Schloß verließ. Als Lauscher am Abend nach seiner Stute schaute, ging es ihr schon besser, und nach wenigen Tagen konnte er sie wieder reiten.
    Lauscher vergaß nicht, wie heftig Gisa auf seine Frage nach dem Verwalter reagiert hatte, und kam nicht mehr auf dieses Thema zurück. Er nahm es künftig als gegeben hin, daß Gisas Knechte am Abend nicht mehr zu finden waren, und gab es auf, darüber nachzudenken. Nach wie vor fühlte er sich in der Gesellschaft dieser gelbäugigen Männer unwohl; sie blieben ihm unheimlich, aber er bediente sich ihrer, wenn ihm dies erforderlich schien; denn er merkte bald, daß man in Barleboog alles erreichen konnte, wenn man sie auf seiner Seite hatte. Da Gisa ihren Knechten vertraute, sah er keinen vernünftigen Grund, dies nicht zu tun; er mußte das wohl auch, wenn er zu jenen gehören wollte, die hier zu befehlen hatten. Die Kunst, Befehle zu erteilen, meinte er von Tag zu Tag besser zu beherrschen, und es erfüllte ihn mit Befriedigung, wenn die Diener seinem leisesten Wink gehorchten. Er bemerkte auch, daß Gisa dies mit Wohlgefallen beobachtete, und gewöhnte sich daran, genau wie sie alles
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