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Stein der Dämonen

Stein der Dämonen

Titel: Stein der Dämonen
Autoren: Hubert Haensel
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die zuckenden Ranken abwehrte, riss Tarmino sich die Felle vom Leib.
    Er erschrak, als er die winzigen schwarzen Bläschen sah, die seine Haut überzogen und eine eitrige Flüssigkeit absonderten. Die Kälte um ihn her brachte nur für kurze Zeit ein wenig Linderung.
    Ein Stöhnen entrang sich Tarminos Lippen. War es nicht besser, wenn er das Schwert gegen sich selbst richtete? Denn seine Ahnungen hatten ihn nicht getrogen. Er würde sterben! Das wusste er mit umso größerer Sicherheit, je tiefer sich das Blut der Schnecke in sein Fleisch einbrannte.
    Die Schmerzen wurden immer unerträglicher. Sie ließen den Ugalier Dinge sehen, von denen er wusste, dass sie nicht Wirklichkeit waren. Aber doch konnte er sich ihrer nicht erwehren. Finsternis senkte sich herab, die das Licht der Sonne schluckte und den nahenden Tod erahnen ließ.
    Das Böse griff nach ihm. Es rief seinen Namen mit düsterer Stimme, um Macht über ihn zu erlangen.
    »Nein!« schrie der Krieger auf, und noch einmal erlangte sein Schwertarm dieselbe Kraft wie beim Kampf gegen die Caer.
    »Neiiin!« Er würde nicht aufhören, die Lichtwelt zu verteidigen. Niemals! Wenn der Tod nun kam, um ihn mit sich zu nehmen, würde er Tarmino gewappnet vorfinden. Jedes Blatt, das er abtrennte, jeder Strunk, der bewegungslos zurückblieb, war ein kleiner Sieg gegen die Dunkelheit.
    Der Krieger lachte. Sein Lachen klang irr und hallte schaurig von den Felsen wider.
    Aber eine plötzliche Berührung in seinem Rücken ließ ihn verstummen. Als er herumwirbelte, sah er sich gleich zwei Riesenschnecken gegenüber, deren Fühler nach ihm tasteten.
    Blindlings schlug Tarmino zu. Doch das Schwert wurde ihm aus der Hand geschlagen und blieb außer Reichweite liegen. Schon wollte er sich zur Flucht wenden, als ein harter Schlag ihn von den Füßen riss. Schwer prallte er zwischen den Steinen auf. Seine Bemühungen, sich zu erheben, scheiterten, weil eine unheilvolle Kraft ihn lähmte. Er war nicht einmal mehr fähig, abwehrend die Arme zu heben.
    Auf dem Rücken liegend, musste er hilflos mit ansehen, wie die Schnecken näher kamen. Die Berührung war Schlimmer als alles, was er jemals erlebt hatte. Sein Körper schien in siedendes Öl getaucht zu werden. Tarmino schrie. Es war ein grauenvoller, nicht enden wollender Schrei.
    Ein schleimiger Körper wälzte sich auf ihn. Stinkender Atem schlug ihm entgegen. Tarminos Gedanken schweiften ab zu den Göttern Ugaliens. Was hatte er getan, dass sie ihr Antlitz von ihm wandten?
    Dann erstickte sein Schrei unter den zähen Ausscheidungen des Tieres.
    *
    Irgendwann – der Schleier des Vergessens senkte sich mit jedem Winter, der ins Land zog, tiefer herab – hatte ein ungnädiges Schicksal ihn nach Südsalamos verschlagen. Aber nach langen Jahren der Wanderung und Ruhelosigkeit lebte er nun für eine neue Aufgabe, und seine Magie war geachtet. Was kümmerte es ihn da, dass das Böse mit jedem Sonnenuntergang deutlicher spürbar wurde. Er hatte es schon damals gewusst, vor fünf oder sechs Wintern, aber er hatte es hingenommen ohne den Versuch, sich dagegen zur Wehr zu setzen. Die Yarl-Linie trug das Verderben in sich, und er bediente sich dessen, was die Finsteren Mächte hervorbrachten.
    Sinnend näherte er sich dem Gehäuse der Riesenschnecke, das den kleinen Raum fast zur Hälfte ausfüllte. Im Schein des prasselnden Kaminfeuers wirkte dessen Oberfläche wie poliert. Doch zogen sich unzählige winzige Linien durch das Perlmutt, die zwar mit dem Auge nicht zu sehen, dafür aber umso besser mit den Fingerspitzen zu ertasten waren. Magische Zeichen – nicht von einer Laune der Natur geschaffen, sondern von den Mächten der Schattenzone so gewollt.
    Her Thylon hätte viel dafür gegeben, zu erfahren, welche Bedeutung ihnen innewohnte. Gleichzeitig aber wusste er, dass seine Magie niemals ausreichen würde, das herauszufinden. Er fluchte unbeherrscht.
    Ein Dutzend Männer hatten ihre Arbeitskraft zur Verfügung gestellt und gegen Waren für ihre Familien eingetauscht, ohne jedoch zu ahnen, dass sie ihr Leben für dieses seltene Exemplar eines Schneckengehäuses hingeben mussten. Nicht, dass die Fischer nicht viele davon aus den Korallen geborgen hätten. Aber das waren kleinere, gerade gut genug, um daraus Sänften, Möbel oder auch nur Musikinstrumente zu fertigen. Keinesfalls aber, um in ihnen die Zukunft zu erkennen.
    Beschwörend hob Thylon die Arme und spreizte die Finger ab. Mit einemmal schien das Feuer weniger hell zu brennen.
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