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Stefan George - Karlauf, T: Stefan George

Stefan George - Karlauf, T: Stefan George

Titel: Stefan George - Karlauf, T: Stefan George
Autoren: Thomas Karlauf
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interessant. »Er fiel uns allen auf durch seinen ungewöhnlichen Kopf und durch ein viereckiges Monokel, das er von Paris mitbrachte.« George, so fasste Steiner die verschiedenen Berichte später knapp und treffend zusammen, saß »abseits, beobachtend, nicht ganz unbeobachtet«.
    Jeder beobachtete freilich etwas anderes. In den Tagen, in denen George und Hofmannsthal sich kennenlernten, arbeitete Hermann Bahr an seinem Aufsatz »Loris«, der im Januar in der Freien Bühne erschien und den jungen Dichter mit einem Schlag bekannt machte. Bahr zeichnete ein Porträt, »wie Watteau oder Fragonard es gemalt hätte«, ganz im Stile des Rokoko: »unter der kurzen, schmalen, von glatten Ponnys überfransten Stirne … braune, lustige, zutrauliche Mädchenaugen«, die von einer »naiven Koketterie« zeugten, »welche die schiefen Blicke von der Seite liebt«. – »Ein feiner, schlanker, pagenhafter Leib von turnerischer Anmut, biegsam wie eine Gerte … mit den fallenden Schultern der raffinierten Kulturen, von ungeduldiger Nervosität … Er erlebt nur mit den Nerven … er empfindet nichts... daher aber auch die Kälte, die sécheresse , der ironische Hochmut seiner Verse.« 11 Marie Herzfeld fügte diesem Bild in ihren Erinnerungen noch »die herrliche Reihe ebenmäßiger Zähne« hinzu: »Wenn er laut auflachte (was er gern tat und wobei er wie ein Kind den Ton beim Atmen auf und ab zog), entstanden Grübchen in den pfirsichfarbenen Wangen … Die Haare waren von tiefgebräuntem Blond, die Augen wie helle Haselnuss, mit dem lichten Blau, das in diese Farbe gemischt ist.« 12

    Schon früh gab es jedoch auch Stimmen, die davor warnten, sich von der Leichtigkeit seines Auftretens blenden zu lassen. Hofmannsthal sähe »ungefähr so aus wie sehr viele Wiener junge Herren aus gutem Haus«, schrieb der spätere Direktor des Wiener Hofburgtheaters, Alfred von Berger, 1905. »Er spricht auch so, wie man in Wien oft sprechen hört. In aristokratischem Wienerisch, mit etwas näselnder Stimme und ein wenig ziehender Sprechweise sagt er einem über ein Buch, das er soeben gelesen hat, die feinsten Sachen so geflissentlich nachlässig und unliterarisch, als ob er sich beim Oberkellner eines eleganten Restaurants beklagte, dass der Champagner nicht genug frappiert ist.« Zwar fände sich in Hofmannsthals Poesie eine Reihe von »auserlesenen lyrischen Leckerbissen«, aber zu einem Hasenragout gehöre nun einmal in erster Linie ein Hase. Vieles wirke bloß anempfunden, und deshalb könne man auch nicht viel »Körperhaftes, Scharfumrändertes« an ihm entdecken: »Ob er wohl im Mondschein einen Schatten wirft?« 13
    Auf jeden Fall war dieses Luftwesen in allem das Gegenteil von Stefan George. Während Hofmannsthal offenbar stets für jünger gehalten wurde, als er war, 14 wirkte George niemals jung. Das lag an seiner Physiognomie. Die breite, weit vorspringende Stirn über verschatteten Augenhöhlen, die hohlen Wangen, der herbe, schmallippige Mund, zuletzt der eigenartig wächserne Teint, der mitunter fast olivfarben schillerte: Selbst im Wiener Caféhaus musste ein solcher Kopf auffallen. Wie ein gewaltiger Block saß dieser Kopf dicht über den Schultern, was der eher feingliedrigen Gestalt etwas Keilförmiges verlieh. Beim Gehen war »der Oberkörper leicht zurückgelegt«, und da alle Bewegung aus dem Becken kam, sah es aus, als schiebe er sich gravitätisch nach vorn. 15
    George war unter 1,75 Meter groß. Da er aufrecht ging, den Kopf meist in den Nacken warf und den kurzen Hals durch einen hohen Stehkragen mit weißer Schleife optisch verlängerte, wirkte er jedoch größer. Der Maler und Zeichner Karl Bauer, der George 1891 kennenlernte und dessen in bürgerlichen Kreisen weit verbreitete Lithographien um die Jahrhundertwende das öffentliche Bild Georges nachhaltig prägten, schilderte sein Auftreten so:
    Der übrige Anzug war fast immer schwarz von modischem Schnitt. Man hätte ihn für einen Herrn der Gesandtschaft halten können. Die dunkelblonden zurückfliegenden Haare trug er ziemlich kurz und regelmäßig, so dass der kugelrunde Schädel im Profil klar hervortrat. Der spätere auf meinen Bildnissen so oft hervortretende Hinterkopf entstand durch die längere Haartracht … Sehr auffallend fand ich den medusenhaften seltsamen Blick der tief unter den felsigen eckigen Stirnknochen liegenden graugrünen Augen … Alles das gab und gibt noch heute dem Antlitz etwas Sphinxhaft-Dämonisches … Dem Eindruck des Gefaßten
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