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Staunen über den Erlöser

Staunen über den Erlöser

Titel: Staunen über den Erlöser
Autoren: Max Lucado
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sie? Schließen Sie das Fenster, schalten Sie den Fernseher aus. Hören Sie es jetzt? Unsere Städte sind voll von Judith Bucknells. Wir hören ihr Rufen in dem Seufzen und Schlurfen in den Altenheimen und Rehakliniken. In dem »Hätte ich nur …« und »Ich will hier raus!« in den Gefängnissen. Wir hören es in den geleckten Straßen und Gärten gutbürgerlicher Vororte, wo die Menschen ihren Plänen und Träumen und ihrer Jugend nachtrauern. Und in den Pausenfluren unserer Schulen, wo die Cliquen unerbittlich aussieben, wer »dazugehört« und wer nicht.
    Das Stöhnen der Einsamkeit, es zieht sich durch sämtliche Schichten und Winkel der Gesellschaft. Von oben nach unten, vom Tippelbruder bis zum Star. Von den Reichen zu den Armen, von den Ehepaaren zu den Alleinstehenden. Judith Bucknell war nicht die Einzige.
    Vielen von Ihnen ist er erspart geblieben, der Schrei der Einsamkeit. Sie haben vielleicht ein oder zwei Mal im Leben Heimweh gehabt, aber verzweifelt gewesen sind Sie noch nie. Auch Selbstmordgedanken haben Sie nie gehabt. Seien Sie dankbar, dass sie noch nie an Ihre Tür geklopft haben, und beten Sie zu Gott, dass sie nie anklopfen werden.
    Auch Sie dürfen natürlich gerne weiterlesen, aber in erster Linie schreibe ich diese Zeilen für die unter meinen Lesern, die morgens mit zerbrochenem Herzen aufwachen und abends nicht einschlafen können. Ich schreibe für diejenigen unter Ihnen, die bloß in den Spiegel zu schauen brauchen, um einen einsamen Menschen zu finden.
    Für Sie ist das Einsamsein der Alltag. Die schlaflosen Nächte. Das leere Bett. Das bohrende Wem kann ich vertrauen? Die Angst vor morgen. Und ständig dieser dumpfe Schmerz in der Seele.
    Wann hat es angefangen? In Ihrer Kindheit? Nach der Scheidung? Als Sie in Rente gingen? Auf dem Friedhof? Als die Kinder das Haus verließen?
    Vielleicht haben Sie, wie Judith Bucknell, den Menschen etwas vorgemacht. Keiner weiß, wie einsam Sie sind. Ihre Fassade stimmt. Ihr Lächeln kommt auf Knopfdruck, Ihr Arbeitsplatz ist sicher, Ihre Kleider sind schick, Ihre Taille schlank, Ihr Terminkalender voll, Ihr Gang und Ihr Ton selbstbewusst. Aber wenn Sie vor Ihrem Spiegel stehen, machen Sie niemand mehr etwas vor. Wenn Sie allein sind, hört das Doppelspiel auf und der Schmerz schlägt zu.
    Oder vielleicht versuchen Sie auch gar nicht, Ihre Einsamkeit zu verbergen. Vielleicht sind Sie immer schon der Außenseiter gewesen, und alle wissen das. Sie sind kein guter Gesellschafter und werden nicht oft eingeladen. Ihre Kleider sind hausbacken, Ihre Figur ebenso. Sie sind Donald Duck, nicht Gustav Gans.
    Habe ich richtig geraten? Haben Sie gerade resigniert genickt oder geseufzt? Wenn ja, dann habe ich eine wichtige Nachricht für Sie.
    Der herzzerreißendste Schrei der Einsamkeit in der Geschichte kam nicht aus dem Mund eines Häftlings oder einer Witwe oder eines Krebspatienten. Er erscholl auf einem kahlen Hügel und kam von einem Kreuz, aus dem Mund des Sohnes Gottes.
    »Mein Gott, mein Gott«, schrie er, »warum hast du mich verlassen?«
    Nie sind Worte so voller Schmerz gewesen. Nie war ein Mensch so einsam.
    In 3. Mose 16,20-22 beschreibt die Bibel das alttestamentliche Ritual des Sündenbocks am Großen Versöhnungstag. Ich habe versucht, es in die Sprache von heute zu übertragen:
    Es wird ganz still, als der Priester den Ziegenbock in Empfang nimmt, ein reines, makelloses Tier, ohne Flecken und Fehler. Langsam und feierlich legt er die Hände auf den jungen Bock, und alle hören zu, wie er erklärt: »Die Sünden des Volkes sollen auf dir liegen.« Das unschuldige Tier empfängt die Sünden der Israeliten. All die Gier, all den Ehebruch, all das Lügen und Betrügen dieser Menschen nimmt der Priester und legt es auf dieses Opfertier – den Sündenbock.
    Und dann packen die Helfer den Bock und tragen ihn
hinaus in die Wüste, wo sie ihn freilassen. Der Bock wird
verbannt. Sünde muss weg, also muss der Sündenbock
weg. »Lauf, Sündenbock, lauf!«
Das Volk ist erleichtert.
Jahwe ist versöhnt.
Der Sündenbock ist allein.
    Und jetzt, auf dem Schädelhügel, auf Golgatha, ist der Sündenbock wieder allein. Jede Lüge, die je erzählt wurde, jeder Gegenstand, der je neidisch begehrt wurde, jedes Versprechen, das je gebrochen wurde, liegt auf seinen Schultern. Er ist beladen mit Sünde.
    Und Gott wendet sich ab. »Lauf, Sündenbock, lauf!«
    Die Verzweiflung ist schwärzer als der Himmel. Die zwei, die eins waren, sind jetzt zwei. Jesus, der von
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