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Stauffenbergs Gefaehrten

Titel: Stauffenbergs Gefaehrten
Autoren: Antje Vollmer , Lars-Broder Keil
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Aufstand vom 20. Juli ja der Versuch einer »Revolution von oben«. Haben Sie das auch so gesehen?
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    20. Juli 1984: Kranzniederlegung durch den Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker im Innenhof des Bendlerblocks während der Gedenkfeier zum 40. Jahrestag des Umsturzversuchs vom 20. Juli 1944
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    Das ist eine zentrale Frage. Sie ist nicht leicht und schon gar nicht lückenlos zu beantworten. Das Attentat hätte eine große Erleichterung geschaffen, der Attentäter wäre und ist als Mörder diffamiert worden. Die Frage der gewaltsamen Beseitigung der Regierung war nie ein Gegenstand öffentlicher Auseinandersetzung in der Bevölkerung. Die Menschen haben gelitten, aber eine Lösung der Katastrophe in Form einer gewaltsamen Beseitigung des »Führers« war das gefährlichste Thema. Die Menschlichkeit und die Geschichte hatten das nötig. Aber so denkt ein Volk nicht. Ja, 1938 gab es eine Phase, wo eine gewaltsame Beseitigung der Regierung ein Thema war, bis hin zu konkreten Planungen. Aber das stand unter dem Hauptziel der Verhinderung dieses ganzen Krieges. Hitler sollte damit an dem Krieg gehindert werden, den er mit allen Mitteln wollte. Das war ein schrecklicher, tragischer Zielkonflikt: Erst Hitler beseitigen oder erst den drohenden Krieg verh indern?
    Warum wirkten die wenigen Überlebenden des 20. Juli in der Zeit nach 1945 so einsam, irgendwie so verloren? Warum bestimmten sie nicht die Nachkriegspolitik?
    Wie hätten sie das können, die wenigen, die noch am Leben waren? Axel von dem Bussche zum Beispiel war überhaupt kein Politiker, er war ein ganz anderer Geist. Außerdem: Er war doch gerade so am Überleben, er allein war sechs Mal schwer verwundet worden. Er bestand ständig seinen täglichen Kampf um die Existenz. Ich habe ihn immer als ein einziges Vorbild betrachtet.

 
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    Friedrich Karl Klausing (1920–1944)
    Â»So fragt nicht mehr nach mir,
    sondern laßt mich damit ausgelöscht sein«
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I.
    Als Friedrich Karl Klausing am 7./8. August 1944 vor dem Volksgerichtshof steht, ist er nicht nur der mit Abstand jüngste Angeklagte, er ist auch der, dem Roland Freisler am wenigsten anhaben kann. Vielleicht ist dies das ungewöhnlichste Ereignis an diesem aufsehenerregenden ersten Prozesstag, dem noch viele grausame Schauprozesse im Zusammenhang mit dem 20. Juli folgen werden. Der Hauptmann Friedrich Karl Klausing, gerade einmal 24 Jahre alt, hat bereits mit allem abgeschlossen. Er ist unerreichbar geworden.
    Wenige Stunden später – unmittelbar vor seiner Hinrichtung in Plötzensee – schreibt er einen kurzen Abschiedsbrief an seine Eltern in Prag:
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    Lieber Vater, liebe Mutter!
    Heute ist nun über mich das Urteil gesprochen, das dem angemessen ist, was ich getan habe. Wenn Ihr diesen Brief erhaltet, ist es auch vollstreckt.
    Ich möchte Euch nur noch eins sagen. Rückschauend betrachtet, insbesondere nachdem ich die Anführer des Ganzen gesehen habe, kann ich es nur als ein Zeichen göttlicher Gnade ansehen, die es unmöglich machte, daß der Putsch gelang und damit das Chaos und Ende des deutschen Volkes heraufbeschworen wurde. Durch diese Gewißheit kann ich ruhig auf mich nehmen, was mich erwartet.
    Wo sich meine verschiedenen Sachen befinden, weiß Tante Martha.
    Ich kann zwar für das, was ich getan habe, einstehen, kann es aber nicht wiedergutmachen, und die Schande, die ich über unseren Namen gebracht habe, nicht wegwischen. So fragt nicht mehr nach mir, sondern laßt mich damit ausgelöscht sein. – Vielleicht ist es eine Beruhigung zu sagen, daß ich ja längst schon irgendwo im Felde hätte bleiben können. Das war mir nicht vergönnt. So laßt es damit zu Ende sein.
    Daß ich Euch zu allen Sorgen auch noch diesen Schmerz antue, ist mein größter Kummer. So gilt Euch beiden, Vater und Mutter, in liebender Dankbarkeit mein letzter Gruß.
    Euer Friedrich Karl
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II.
    Wer war dieser junge Mann, nach dem – wie die Nachkriegszeit in Deutschland belegen sollte – auch wirklich fast niemand mehr fragte?
    Findet man die, die ihn noch kannten, so suchen alle erst einmal nach Worten:
    Â»Sein Wesen steht mir ganz genau vor Augen«, sagt Richard von Weizsäcker, der mit ihm im selben Regiment diente, dem berühmten Potsdamer Infanterie-Regiment 9 (I.R.9), aus dem eine beachtliche Reihe von Widerstandskämpfern
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