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Stauffenbergs Gefaehrten

Titel: Stauffenbergs Gefaehrten
Autoren: Antje Vollmer , Lars-Broder Keil
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Gehirn ein unzuverlässiges Medium ist, was konkrete Abläufe oder korrekte Daten angeht. Es ist aber unübertrefflich, wenn es darum geht, Gefühle zu beschreiben, das Geschehen aus eigener Erinnerung zu schildern, zu erklären, warum man sich an diese oder jene Begebenheit besonders nachhaltig erinnert. Zeitzeugen bringen nicht nur Lebendigkeit in eine Geschichte, sondern füllen ganz wesentlich Lücken aus, die Dokumente, Fotos und Aktennotizen nicht füllen können.
    Der Freitod Plettenbergs vor der ihm angedrohten Folter wäre aufgrund der Überlieferungen gut zu beschreiben. Aber wie die Nachricht von seinem Tod und die späteren Erklärungsversuche der Mutter auf ihre Kinder gewirkt haben, können nur diese sagen. Über die besondere Rolle, die Volksgerichtspräsident Roland Freisler im ersten Prozess gegen die Mitverschworenen für Klausing vorgesehen hatte, liegen ausreichende Schilderungen vor. Aber wie der junge Offizier als Mensch auf seine Freunde gewirkt hat und was diese an ihm schätzten, können nur sie mitteilen. Welche Aufgabe Oertzen am 20. Juli 1944 in Berlin beim Staatsstreich übernommen hatte, ist in den Unterlagen gründlich aufgearbeitet. Wie seine Frau die letzten Tage und Stunden mit ihm in der Reichshauptstadt empfunden hat und die Zeit der Ächtung in den Wochen und Monaten danach, kann jedoch nur sie beschreiben.
    1969 hielt der Schriftsteller Carl Zuckmayer die Rede zur Gedenkfeier des 20. Juli. Wie Janusz Reiter griff auch er das Bild der Einsamkeit auf, um das Dilemma jedes Einzelnen im Widerstand zu beschreiben. »Für die, welche viele Jahre lang anders dachten und schweigen mussten, gab es eine Einsamkeit, die kaum zu ermessen ist«, formulierte Zuckmayer. Zwar seien aus diesem Gefühl, in das »jeder Andersdenkende einer großen Menge gegenüber verstoßen ist und das Denken und Handeln zu lähmen droht«, wunderbare Verbindungen und Gemeinschaften erwachsen – letztlich aber sei auch das Attentat auf Hitler eine einsame Tat geblieben. »Es ist leicht«, so der Schriftsteller, »am Mißlingen dieses Aufstands Kritik zu üben, seine vielfache Verspätung, seine ungenügende Vorbereitung und Absicherung zu bemängeln. Aber wer, der lebt, könnte von sich sagen, daß er unter gleichen Umständen den gleichen Mut und die gleiche Haltung aufgebracht hätte?«
    Wir, die beiden Autoren, haben uns seit Jahren mit dem Widerstand im Nationalsozialismus beschäftigt. Wir haben über dieses Thema publiziert, Vorträge und Lesungen gehalten und uns darüber kennengelernt. In den gemeinsamen Gesprächen entstand die Idee, wenigstens zehn der bisher kaum bekannten oder missverstandenen Widerstandskämpfer – unser Arbeitstitel hieß »Die zehn Gerechten« – zu mehr Anerkennung und Aufmerksamkeit zu verhelfen. Die Auswahl der Porträts haben wir gemeinsam getroffen, die historischen Recherchen gegenseitig ergänzt, die meisten Familien zusammen besucht und die Interviews mit den so wichtigen Zeitzeugen Richard von Weizsäcker (der viele der Verschwörer persönlich kannte) und Ewald Heinrich von Kleist (dem allerletzten Überlebenden der Aktionen im Bendlerblock am 20. Juli 1944) gemeinsam geführt. Einzig die Ausformulierung der einzelnen Porträts haben wir unter uns aufgeteilt, wir betrachten sie aber als Ergebnis einer gemeinsamen Arbeit.
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    Berlin, Januar 2013
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    Antje Vollmer
    Lars-Broder Keil

 
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    Richard von Weizsäcker (*1920) über seine Begegnungen mit Beteiligten am militärischen Widerstand
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    Â»Diese völlig unsinnigen Befehle, dieser tägliche Wahnsinn«
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    Sie haben im Infanterie-Regiment 9 aus Potsdam gedient, aus dem viele spätere Widerstandskämpfer kamen. Wen kannten Sie persönlich aus diesem Kreis?
    Ich habe aus dem Kreis des Widerstands vor allem mit meinem ältesten Freund Axel von dem Bussche zu tun gehabt, und zwar in meinem Truppenteil an der Front. Dort habe ich auch Friedrich Karl Klausing kennengelernt. Er war zwar in meinem Alter. Aber Klausing war aktiver Offiziersanwärter, ich war nichts anderes als Wehrdienstleistender. Später wurde ich Reserveoffizier und war im Regiment sogenannter Regimentsadjutant. Ich hatte die Neuankömmlinge in Empfang zu nehmen und auf die jeweiligen Truppen zu verteilen. Dort waren wir ein Kreis von Leuten, die sich ab und zu zusammensetzten
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