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Starke Frauen

Starke Frauen

Titel: Starke Frauen
Autoren: Dana Horáková
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1853 in Paris. Wagner, nach Lohengrin bereits berühmt, aber wegen seiner Teilnahme an der Märzrevolution 1848 steckbrieflich gesucht, erscheint auf Einladung von Cosimas Vater und liest aus seinen Werken. Die 15-Jährige ist hingerissen. Dem Meister fällt ihre »anhaltende Schüchternheit« auf, das Ergebnis der andauernden Dressur ihrer Gouvernante; sie wird ihr Leben lang gerade sitzen und blind gehorchen, da schon als Backfisch mit dem Fluch der Selbstverleugnung infiziert.
    Cosima ist ein Kind besonderer Eltern: Der Ungar Franz Liszt ist ein Jahrhundertpianist, die Mutter Comtesse Marie d’Agoult eine verheiratete Society-Lady, Romanautorin und Ehebrecherin. Das Paar erübrigt keine Zeit für seine drei Kinder, die bei Liszts Mutter aufwachsen. Cosima lernt früh, auf sich selbst angewiesen zu sein: »Ich ordne Papiere, die mir wiederum klar zeigen, dass ich weder Vater noch Mutter gehabt«, schreibt sie am 23. März 1871 in ihr Tagebuch.
    Cosima ist musikalisch, verschlingt jedes Buch, das ihr in die Hände kommt. Liszt bewundert Wagner ebenso wie sein Lieblingsschüler, der Berliner Klaviervirtuose und Kapellmeister Hans von Bülow, ein Mann mit ungeheurem Einfluss in der Musikszene, aber gequält von Minderwertigkeitskomplexen. »Ich schufte wie ein Neger«,sagt er, aber nur als Interpret. Daher seine fast krankhafte Hingabe an den Schöpfer-Gott Wagner.
    Liszt bittet Bülows Mutter, seine Töchter aufzunehmen, also wird Cosima aus dem lebenslustigen Paris in das ernste Berlin verpflanzt. Sie spürt: Sie gehört zu niemandem und nirgendwohin. Um sich zu schützen, mauert sie sich ein: »Tränen sind nur Wasser!«
    Bülow hört sie Klavier spielen und sagt: »Sie haben nicht etwa Talent, sondern Genie.« Auch sie bewundert sein Können. Als er nach einem Konzert – er dirigiert Wagners Tannhäuser – ausgebuht wird, tröstet ihn Cosima. Er gesteht, er zittert vor dem Augenblick, an dem sie das Haus verlassen würde. »Dann bleibe ich«, antwortet sie. Im August 1857 heiraten sie, wohl eher aus gegenseitigem Respekt und Mitleid statt aus Liebe: »Wie es kam, dass wir heirateten, weiß ich jetzt noch nicht« (Cosima). Die Hochzeitsreise verbringen die beiden bei Wagner in dessen Züricher »Asyl«-Haus, das ihm ein Freundespaar »gebührenfrei« zur Verfügung stellte. Wagner verdient zwar nicht wenig, aber sein ungezügelter Hang zum Luxus frisst alle Gagen und Tantiemen auf: »Die Welt ist mir schuldig, was ich brauche«, meint er. Bülow soll seine neue Oper Tristan und Isolde dirigieren. In dieser Zeit muss Cosima akzeptiert haben, dass sie selbst niemals eine große Künstlerin sein wird, und für sich die Rolle der »Geburtshelferin« von Genies gewählt haben. Dienen will sie. Denn auf diese Weise kann doch auch sie an der Entstehung von Meisterwerken teilnehmen!
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    »Für Richard zu leben und zu sterben musste ich als meinen Beruf erkennen«
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    1860 bringt Cosima eine Tochter zur Welt. Weder der Vater noch die Großeltern begrüßen die Geburt mit der Freude, die einem solchen Ereignis normalerweise zuteil wird. Monate später taucht Wagner in Berlin auf. Während Bülow eine Orchesterprobe leitet, unternehmen Cosima und der Gast eine Kutschenfahrt: »Wir blickten uns stumm in die Augen, und ein heftiges Verlangen ...« An diesem 28. November 1863 werden sie ein Liebespaar. Er ist 24 Jahre älter (und 15 Zentimeter kleiner). Cosima spürt Liebe, die sie bislang für ein leeres Worthielt: »Wie könnte ich es R. jemals genügend danken, was seine Liebe an mir vollbracht?«
    Wohlgemerkt: Cosima hat diesen Ehebruch nicht gedankenlos begangen. Sie wird sich niemals von ihren Schuldgefühlen befreien, aber ihre Liebe ist stärker als alle Gewissensbisse, alle Vernunft und die Angst vor einem Skandal.
    Auch ein weiterer Mensch ist Wagner hoffnungslos verfallen: Ludwig II., seit 1864 König von Bayern. Er fleht den Komponisten an, nach München zu kommen: »Heiß Geliebter! Mein Einziger!«, schreibt er, »bis in den Tod, Ihr Ludwig.« Der »Kini« bezahlt Wagners Schulden, schenkt ihm Geld, überlässt ihm ein Landhaus am Starnberger See und eine Stadtvilla. Wagner fehlt zur vollkommenen Glückseligkeit nur eines: Cosima.
    Also lädt er von Bülow »mit Weib, Kind und Magd« nach Bayern ein. Das künftige Dreiecksverhältnis wird besiegelt. Neun Monate später, im April 1865, bringt sie Wagners erste Tochter Isolde zur Welt. Bülow dirigiert an diesem Tag die erste Orchesterprobe von Tristan
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