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Starke Frauen

Starke Frauen

Titel: Starke Frauen
Autoren: Dana Horáková
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Wagners Villa Wahnfried wird zur Kommandozentrale. 1908 übergibt sie den Chefposten an ihren »Meistersohn«. 1913 wird er einen Überschuss von sechs Millionen Mark erwirtschaften (heute 27 Millionen Euro). Eine Sorge hat die »hohe Frau« noch: den Erhalt der Spiele als Familienunternehmen. Als Sohn Siegfried, die »Wiedergeburt ihres Richards«, 47-jährig Vater eines Sohnes wird, setzt sich Cosima zum ersten Mal seit Wagners Tod an den Steinway-Flügel und spielt »Siegfrieds Idyll«.
    Nach ihren zwei Schlaganfällen lässt sich Cosima von ihren Töchtern umsorgen; je zwei hat sie von Bülow und Wagner. Jetzt lebt sie in ihren Erinnerungen und in ihrem »Museum«. In Wagners Zimmer muss alles so bleiben, wie es an jenem Tag war, als sie 1883 nach Venedig abreisten: seine Brillen in der Schreibtischschublade, seine Schmetterlingssammlung, sein Sessel, in dem keiner sitzen darf.
    Die Witwe bastelt sich einen urgermanischen Wagner, den man wie Wotan anbeten kann. Sie fälscht seine Tagebücher, frisiert seineAutobiografie, verbrennt alles, was ihr als »eines deutschen Helden unwürdig« erscheint. Sie will nicht, dass die Nachwelt erfährt, dass er Bismarck für einen »schlechten Menschen« und Goethe für einen »Schafskopf« hielt.
    Und sie schafft es, Wagners Musik zu einer Sache der Deutschen zu machen. Auf ihrer Chaiselongue ruhend, diktiert sie Briefe. Tochter Eva notiert alles, was Cosima sagt: »Ich wollte dich fragen, hörst du die Stille?« Oder: »Nur die Sterne möchte ich noch sehen.« Sie ist völlig blind. Sie wird neben Wagner im Garten der Wahnfried-Villa begraben.
    Eigentlich hat Cosima alles erreicht, was sie sich einst als elternloses, ungeliebtes Kind vorgenommen hatte. Und doch heißt es: »So gerne ich gelebt habe, ich möchte lieber nicht wiedergeboren werden.«
    Weil das Leben so mühsam war? Oder weil sie selbst weder Pianistin wie ihr Vater noch Komponistin wie »ihr« Genie wurde?

Moskau, 20. Juni 1933. Es war wohl das größte Begräbnis aller Zeiten. 600 000 Menschen sind gekommen, um Clara die letzte Ehre zu erweisen. Manche halten ihr Bild vor sich wie eine Ikone, Tausende von Rotarmisten präsentieren das Gewehr, als Parteichef Stalin (für Clara ein »gehirnkrankes Weib in Männerhosen«) eigenhändig ihre Urne in die Kremlmauer einsetzt. »Ich will dort kämpfen, wo das Leben ist«, betonte sie stets. Gestorben ist sie in Russland, einem von Kommunisten zermürbten Land, in dem ein Menschenleben weniger wert war als ein Hundeknochen.
    Clara ist 18 und besucht ein Lehrerinnenseminar in Leipzig, als sie Ossip Zetkin in einem Studentenzirkel kennenlernt. Der Russe, ein leidenschaftlicher Marxist, der vor der zaristischen Polizei fliehen musste, wird Claras erster Liebhaber.
    Eine gewisse Schwäche für soziale Utopien erbte Clara ohnehin von ihrer Mutter Josephine: Deren Vater zog mit Napoleon für die Ideale der Französischen Revolution »Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit« in den Krieg. Von ihr »lernte ich, dass man für seine Überzeugung kämpft und stirbt«. Aber Mama redet nicht nur, sie organisiert auch, sprich: Sie gründet einen Turnverein für Frauen, was Claras Vater, der als Dorfschullehrer zur Lokalprominenz gehört, nur widerwillig duldet.
    Als jedoch Josephine von ihrer Tochter verlangt, sich von dem »Nichtsnutz« Ossip zu trennen, weigert sich Clara: »Ich kann nicht gegen meine Überzeugung handeln.« Wohlgemerkt – sie sagt nicht: um meine Liebe kämpfen! Sie ist mittlerweile eine überzeugte Sozialistin und bereit, ihrem Glauben Opfer zu bringen. Zum Beispiel ihre Stelle als Hauslehrerin. Eine Berufung ist doch wichtiger als Brotberuf!
    Sie liest August Bebels Buch Die Frau und der Sozialismus , seine Argumente für »die volle Gleichberechtigung der Frau« fühlen sich wie eine Offenbarung an. 1878 tritt sie Bebels Sozialistischer Arbeiterpartei bei, die 1890 in Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) umbenannt wird.
    Ossip wird 1880 (das »Sozialistengesetz«, mit denen Bismarck die Genossen bekämpft, ist seit 1878 in Kraft) auf einer Versammlung mit Bebel festgenommen und des Landes verwiesen. Clara folgt ihm und wohnt seit 1882 in Paris. Ihr erstes Exil. Das Paar lebt am Rande desExistenzminimums, Clara versucht sich als Journalistin und Wäscherin: »Geld ist zwar Dreck«, klagt sie in einem Brief, »aber Dreck ist leider kein Geld.« Sie trägt Ossips Namen, aber geheiratet hat sie nicht, vermutlich um ihre deutsche Staatsbürgerschaft nicht
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