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Stählerne Schatten

Stählerne Schatten

Titel: Stählerne Schatten
Autoren: Dale Brown
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besonders über Stabsoffiziere herzuziehen, nicht leicht durchsetzen können.
    Er ist ein guter Soldat, aber ist er auch ein guter Kommandeur… ? Das läßt sich noch nicht sagen. Die Jungs wissen vorerst nicht, wie sie auf ihn reagieren sollen, das ist alles. Ob er Erfolg hat, hängt allein von ihm ab. Sie sind eine Elite – ob er sie führen kann, ist eine Frage, die er selbst beantworten muß.«
    White nickte geistesabwesend. Wohl musterte ihn prüfend, dann fragte er: »Warum so niedergeschlagen, Oberst, wenn doch alles in bester Ordnung ist?«
    »Weil ich bei diesem Unternehmen von Anfang an ein ungutes Gefühl gehabt habe«, antwortete White. »Wir haben heute nacht in einem großen Hornissennest herumgestochert, Chris – und das am iranischen Revolutionstag, der unserem Unabhängigkeitstag entspricht.«
    »Scheiße, das hab’ ich nicht gewußt«, sagte Wohl betroffen.
    »Ich hab’ gedacht, der sei irgendwann im November – zur Erinnerung an die Besetzung unserer Botschaft.«
    »Nein, er ist heute«, stellte White fest, »und das hätte ich wissen müssen. Hätte ich daran gedacht, hätte ich dringend dazu geraten, den Einsatz zu verschieben.«
    »Aber der GKR hat natürlich gewußt, was für ein Tag heute ist.«
    »Genau das macht den Angriff für Teheran noch schlimmer«, sagte White. »Und natürlich wird der Hauptzorn des Irans sich wieder gegen die USA richten. Wir behaupten natürlich, dies sei ausschließlich ein Unternehmen des Golfkooperationsrats gewesen, aber Sie wissen so gut wie ich, daß diese Schnelle Eingreiftruppe nicht in vorderster Linie kämpfen wird, wenn die Iraner zurückschlagen.«
    »Woher wissen Sie, daß sie zurückschlagen werden?«
    White starrte ihn grimmig an. »Weil die Iraner sich seit Jahren auf genau diesen Angriff vorbereitet haben – seit dem Ende des iranisch-irakischen Kriegs. Wir haben ihnen gerade die Rechtfertigung für die Milliarden Dollar geliefert, die sie in den letzten sechs Jahren für Rüstungszwecke ausgegeben haben.
    Sie werden keine Ruhe geben, bis irgend jemand – bis jedermann – für die ihnen heute angetane Schmach bestraft wurde… «
TEHERAN, IRAN 45 MINUTEN NACH DEM ANGRIFF AUF DIE
INSEL ABU MUSA
    General Hesarak al-Kan Buschasi, Oberbefehlshaber der Streitkräfte der Islamischen Republik Iran und Kommandeur der Revolutionswächter, war zum erstenmal in seiner Laufbahn in der Residenz des Revolutionsführers, des Ajatollahs Ali Hoseini Khamenei. Und er hatte ehrlich gesagt Angst. Aber trotz seiner Angst vor einem Mann, der wie schon Ruhollah Khomeini vor ihm mit einem Wort eine Viertelmilliarde schiitischer Moslems in Bewegung setzen konnte, war es noch aufregender, über die Katastrophe von heute morgen nachzudenken, die zugleich eine große Chance bedeutete. Diese Chance durfte er sich unter keinen Umständen entgehen lassen.
    Buschasi verbeugte sich tief, als er vor den Faqih geführt wurde, und hielt den Kopf gesenkt, bis Khamenei ihn ansprach. Die Tür hinter ihm war geschlossen. »Euer Eminenz, ich danke Ihnen für diese Audienz.«
    »Ich habe heute morgen schlimme Nachrichten erhalten, General« , sagte Khamenei ruhig. »Allah hat mich vor einer großen Gefahr für die Republik gewarnt. Berichten Sie mir, was geschehen ist.«
    Buschasi hob den Kopf, blieb aufrecht stehen und hielt seine Hände respektvoll vor dem Bauch gefaltet, als stehe er vor einem Altar oder spreche ein Gebet. Khamenei war Ende Sechzig. Im Gegensatz zu seinem Vorgänger, dem Imman Ruhollah Khomeini, der groß, hager und vergeistigt gewesen war, war Khamenei klein und hatte ein rundes Gesicht mit kurzem schwarzen Bart und großer Hornbrille, die ihn eulenhaft gelehrt und gewitzt wirken ließ. Dieser Mann war der nominelle Faqih, der oberste Gesetzgeber der Islamischen Republik, der den Staatspräsidenten und jeden Geistlichen, jeden Juristen und jeden Gelehrten des Zwölferhauses überstimmen konnte.
    Zugleich war Khamenei als Marja Ala das religiöse Oberhaupt der schiitischen Moslems und erfüllte das Vermächtnis des zwölften Immans, der vor den Augen der Welt verborgen war und bald zurückkehren würde, um die Gläubigen für ewig ins Reich Allahs zu rufen.
    Trotzdem war er nur ein Mensch, weder Heiliger noch Prophet. Buschasi hatte Ali Hoseini Khamenei schon gekannt, als er nur ein ehrgeiziger, taktierender, nicht sonderlich gebildeter Hitzkopf aus einer reichen schahtreuen Reederfamilie in Bender-Anzalt gewesen war. Um seinen Freunden zu imponieren und gegen
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