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Stählerne Schatten

Stählerne Schatten

Titel: Stählerne Schatten
Autoren: Dale Brown
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General?«
    »Weil Präsident Nateq-Nouri meinen Befehl, jeden in Reichweite kommenden Feind sofort zu bekämpfen, aufgehoben hat«, antwortete Buschasi erregt. »Statt dessen sollten die Einsatzbefehle nicht von den Kommandeuren auf der Insel, sondern nur vom Verteidigungsministerium hier in Teheran gegeben werden dürfen. Heller Wahnsinn! Ich habe dagegen protestiert und um Rücknahme dieses Befehls gebeten… «
    »Der Wächterrat hat weder von diesem Befehl noch von Ihrem Protest dagegen erfahren«, stellte Khamenei fest.
    »Ich wollte diese Sache bei der nächsten Sitzung des Obersten Verteidigungsrats persönlich mit Ihrem Vertreter besprechen«, log Buschasi, der genau wußte, daß Nateq-Nouri niemals einen Gegenbefehl erlassen hatte. Außer bei Verletzungen des Luftraums über streng geheimen Forschungseinrichtungen, der Hauptstadt oder den heiligen Städten war es in Friedenszeiten nie amtliche iranische Politik gewesen, ohne Warnung auf Eindringlinge zu schießen. Dafür gab es einen sehr einfachen Grund: Der Iran besaß nur wenige funktionierende Abwehrsysteme gegen Tiefflieger; auch wenn die auf Abu Musa stationierten Truppen sofortigen Schießbefehl gehabt hätten, wären die Zerstörungen wahrscheinlich nicht zu verhindern gewesen.
    »Dieser Punkt scheint sich erledigt zu haben, nicht wahr, General?« meinte Khamenei.
    »Ich will darauf hinaus, Euer Eminenz, daß ich die nötigen Mittel brauche, wenn ich die Republik gegen ihre Feinde verteidigen soll«, erwiderte Buschasi. »Abu Musa und die Große und Kleine Tumb-Insel gehören dem Iran – nicht Sharjah, den sogenannten Vereinigten Arabischen Emiraten, dem Golfkooperationsrat, den Vereinten Nationen oder dem Internationalen Gerichtshof. Ich habe den Auftrag, die Republik zu verteidigen, aber mir sind die Hände gebunden, weil Präsident, Kabinett und Parlament davor zurückschrecken, im Ausland Ressentiments und Haß zu wecken, und befürchten, sie könnten Investoren und Beliebtheit verlieren. Wieviel sollen wir noch abtreten? Überlassen wir Kermanschahan und Kurdistan freiwillig den blutrünstigen Kurden? Treten wir den Schatt-el-Arab dem Schlächter von Bagdad ab? Vielleicht hätte Turkmenistan gern die heilige Stadt Maschad?«
    »Genug, General, genug«, wehrte Khamenei hörbar verärgert ab. »Warum besprechen Sie diese Sache nicht mit Präsident Nateq-Nouri? Schließlich hat Seine Heiligkeit der Imman Khomeini ihm den Posten des Oberbefehlshabers übertragen.«
    »Euer Eminenz, die Untätigkeit des Präsidenten in Verteidigungsangelegenheiten ist für jedermann unübersehbar«, sagte Buschasi. »Die Revolutionswächter erhalten von ihm weniger Haushaltsmittel als sie für Aus- und Weiterbildung benötigen; statt dessen gibt er das Geld den Basij-Milizen als eine Art Wohlfahrtsprogramm und um sich damit Stimmen zu kaufen.
    Wir beschaffen moderne Waffen, aber für Ersatzteile oder den Ausbau unserer militärischen Infrastruktur ist kein Geld da, weil es gebraucht wird, um Industrielle und Großgrundbesitzer zu bestechen, die den Präsidenten unterstützen. Der Ausbau unserer militärischen Einrichtungen ist zum Stillstand gekommen, weil er die Gewerkschaften verhätschelt. Das Ergebnis ist trotz aller meiner Warnungen vorhersehbar gewesen: Die Verteidigungsanlagen von Abu Musa sind zerstört, und die Insel ist in Gefahr, von Sympathisanten der Amerikaner und Zionisten erobert zu werden.«
    Khamenei durchschaute Buschasis blumenreiche Übertreibungen natürlich, schien aber trotzdem nachdenklich geworden zu sein, Der Konflikt zwischen Militär- und Zivilregierung köchelte schon seit einiger Zeit, und diese Besprechung am frühen Morgen war vielleicht der Weckruf, den Khamenei erwartet oder auch befürchtet hatte. Die iranische Geistlichkeit mußte sich entscheiden, wen sie unterstützen wollte – die Regierung oder das Militär.
    Der Großayatollah hatte Ali Akbar Nateq-Nouri, den ehemaligen Sprecher der Majlis-i-Schura, der Islamischen Beratenden Versammlung des Irans, den er als Nachfolger des ehemaligen Präsidenten Haschemi Rasfanjani ausgewählt hatte, bereits vor der Revolution gekannt. Und da er General Buschasis steile Karriere aufmerksam verfolgt hatte, wußte er, daß der einzige Unterschied zwischen den beiden darin bestand, daß der eine Offizier war und Uniform trug. Beide Männer waren intelligent, opportunistisch, hartnäckig, machthungrig und skrupellos. Obwohl beide Lippenbekenntnisse zum Islam ablegten, war keiner von ihnen
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