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Stadtmutanten (German Edition)

Stadtmutanten (German Edition)

Titel: Stadtmutanten (German Edition)
Autoren: Daniel Strahl
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Gebäude, das früher einmal eine Firma beherbergt hatte. Irgendwann hatten sich die Zeugen Jehovas das Grundstück zugelegt und dort einen riesigen Königreichssaal gebaut. Es war genau der, in dem Florian, der Totenmann aus dem Karo, zum Gottesdienst gegangen war. Als ich das Gebäude passierte, erklang aus dem Hauseingang eine bronzene Stimme.
    »Hallo mein Freund. Hast du heute schon über Gott nachgedacht?«
    Verdattert blieb ich stehen. Es waren Totenmänner auf der Straße und doch stand hier dieser aufopferungsbereite Zeuge Jehovas und verteilte den guten alten Wachturm. Damit hatte der Mann sich meinen Respekt verdient, obgleich ich nicht nachvollziehen konnte, wieso er ein solches Risiko auf sich nahm. Außerdem hatte ich tatsächlich über Gott nachgedacht, wenn auch anders, als der vor mir stehende Zeuge es erwartet hätte. Ich schaute mich also um, vergewisserte mich, dass kein Beißer uns bemerkte und trat vor den Zeugen.
    »Das habe ich.«
    »Möchtest du mir drinnen davon erzählen? Vielleicht kann ich dir an manchen Stellen eine alternative Sicht der Dinge aufzeigen. Eine Sicht, die momentan augenscheinlich an Aktualität gewonnen hat?«
    Es war absurd. Ich wollte mich gerade höflich entschuldigen und ihm nahe legen, zurück ins Haus zu gehen, als ich hinter uns Schüsse hörte. Maschinengewehrsalven! Jemand schoss tatsächlich mit automatischen Waffen! Woher hatten die Spinner die nur? Spontan änderte ich meinen Plan.
    »Ist OK. Ist das Gebäude sicher?«
    »Sicher vor denen?« Er warf einen verächtlichen Blick in Richtung der Kämpfenden, die bald in Blickweite sein müssten. »Ja. Das und mehr, du wirst sehen, mein Freund.«
    Und er sollte Recht behalten. Das Grundstück und all die dazugehörenden Gebäude waren sehr sicher. Bombensicher. Mein Respekt wuchs. Ich war schon viele Male an dem Gelände vorbei spaziert und erinnerte mich an seinen vorherigen Zustand recht genau, zumindest, was die äußeren Befestigungen anging. Schon vor der Krise hatte das Gelände mit seinen zwei Meter hohen Zäunen und den Kameras eher einer Festung als einem Haus Gottes geähnelt. Als mein Gastgeber mir jetzt die Anlagen zeigte, wurde offensichtlich, dass die Zeugen in der letzten Zeit nicht untätig gewesen waren: Die Zäune waren nun elektrisch gesichert, alle Fenster vergittert, die Türen einbruchsicher, es gab Alarmanlagen, umfassende Videoüberwachung. Vieles war erst nach Beginn der Krise installiert worden. Mein Begleiter führte mich schließlich in eine Art Kontrollraum im ersten Stock des Gebäudes. Eine Armee von Bildschirmen war hier aufgestellt. Von hier aus konnte man den gesamten Gebäudekomplex nebst Außenanlagen überwachen. Ich verkniff mir den Kommentar, das Wort Wachturm würde hier eine gänzlich neue Bedeutung bekommen. Dann ertönte ein leises Summen und mein Begleiter nahm den Hörer des Haustelefons ab.
    »Kaufmann?«
    Mein Gastgeber nickte ein paar Male und legte dann nach einer kurzen Verabschiedung auf.
    »Ich muss dich kurz allein lassen. Ich werde gebraucht.«
    »Probleme?«
    Kaufmann lächelte und deutete auf einen der Monitore, dessen Bild schwarz war.
    »Nein, es ist nur eine der Kameras ausgefallen. Ist gleich behoben.«
    »Wo steht die Kamera?«
    »Sie zeigt den Zaun, der an den Friedhof grenzt. Hab keine Angst, wir erwarten keinen Angriff von dort aus. Wir sind nur vorsichtig.«
    Damit war er schon aus der Tür und überließ mir den Kontrollraum. In jedem Zimmer mit Ausnahme des Königreichsaales waren Kameras angebracht. Der Königreichsaal, der sich in der Mitte des Hinterhofes befand, war dafür äußerlich aus jedem erdenklichen Winkel von Kameras bewacht. Niemand würde sich dem Heiligtum unbemerkt nähern können. Ich betrachtete die Bildschirme und sah, dass sich ungefähr zwei Dutzend Zeugen im Gebäudekomplex aufhielten. Alles Männer. Einige wirkten ängstlich angesichts des Maschinengewehrfeuers auf der Straße. Andere dagegen trugen denselben beseelten Ausdruck auf den Gesichtern wie mein Begleiter. Schließlich flackerte kurz das Bild auf dem schwarzen Bildschirm und eine Sekunde später sah ich die Friedhofsgrenze, ruhig und friedlich wie eh und je. Kaufmann rief an und fragte, ob die Kamera nun ein Bild schickte. Ich bestätigte dies, woraufhin er mir versicherte, gleich wieder bei mir zu sein. Mein Gastgeber blieb jedoch länger fort, als ich es erwartet hatte. Aus lauter Langeweile untersuchte ich die Bilder auf den Monitoren noch einmal auf
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