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Stadtmutanten (German Edition)

Stadtmutanten (German Edition)

Titel: Stadtmutanten (German Edition)
Autoren: Daniel Strahl
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gehen. Endlich wieder in die sicheren vier Wände. Höchste Zeit dafür. Die Geräusche begannen erneut. Näher jetzt. Die Vögel und die Eichhörnchen verzogen sich in die Sicherheit der Baumkronen. Sogar die Ratte nahm Reißaus. Gerade, als ich den Türknauf in die Hand nahm, hörte ich Erics überraschten Schrei und verspürte einen Wimpernschlag später einen dumpfen Schmerz im Hinterkopf.
    Dann gingen bei mir die Lichter aus.
    Als ich wieder zu mir kam, lag ich auf einem fremden Sofa in einem fremden Wohnzimmer. Vorsichtig ertastete ich meinen brummenden Schädel und fand zu meiner Verwunderung einen Verband mit einem Kühlkissen genau auf der Stelle, wo mich der Schmerz getroffen hatte.
    »Alle 15 Minuten neu«, hörte ich hinter mir eine vertraute Stimme sagen. Ich setzte mich auf und schaute mich um. Auf einem Sessel saß Peter Hiob und deutete auf meinen Verband.
    »Alle 15 Minuten kommt einer von diesen Primaten und wechselt den Verband. Damit keine dicke Beule dich behindert.«
    Da wir die Begrüßungs- und Versöhnungsfloskeln offenbar übersprungen hatten, kam ich genau wie Peter sofort zum Punkt.
    »Wobei behindert?«
    »Schau nach draußen, dann siehst du es. Dein junger Freund dürfte die Arena bald einweihen.«
    »Arena?«
    »Schau es dir einfach an.«
    Ich ging zur Balkontür und schaute hinaus. Draußen waren die Männer, deren Gefangene wir offensichtlich waren, ziemlich fleißig gewesen. Sie waren verdammt gut ausgerüstet, fast alle trugen irgendeine Art von Kampfmontur, teilweise waren sie bewaffnet. Wir alle hatten uns angepasst, aber ihre Ausstattung war schon besonders gut, beinahe professionell. Und etwas sagte mir, dass sie nicht aus dem Sperrgebiet waren. Nein, es waren Leute von außerhalb. Sie waren zu gepflegt und hatten noch nicht diesen traumatisierten Blick, den die meisten im Sperrgebiet inzwischen trugen. Es war der Blick, den Therapeuten bei heimgekehrten Soldaten sehen, denen die erlebten extremen Stresssituationen die innere Ruhe gestohlen haben. Hiobs Primaten jedoch wirkten frisch und motiviert. Die Männer hatten die gegenüberliegenden Häuserreihen und den Zaun auf der Parkseite des Grundstücks als natürliche Grenzen genutzt und die Löcher zwischen Zaun und Hausmauern mit geklauten Autos gestopft. Sie hatten gegen die aufkommende Dunkelheit Halogenstrahler aufgestellt, die wie Flutlicht den Platz erhellten. Mir war klar, was Hiob mit Arena meinte. In der Mitte des Platzes stand ein dunkelhaariger Mann in seinen Zwanzigern, der die anderen Männer delegierte, um der Arena den Feinschliff zu geben. Er kam mir irgendwie bekannt vor, aber ich konnte sein Gesicht nicht ganz einordnen. Aber er war unbestritten ihr Anführer. Ich wandte mich zu Hiob.
    »Wer sind die?«
    Hiob schnaubte verächtlich, hasserfüllt. Ich hatte diesen Blick noch nie an ihm gesehen, wusste nicht, dass mein alter Freund zu diesem Gesichtsausdruck fähig war.
    »Es sind dieselben, die es immer sind, mein Freund. Der gleiche Schlag, nur dass diese ohne Befehl kommen. Sie machen das hier aus Spaß, nur zu ihrem Spaß.«
    Er rotzte das Wort Spaß förmlich aus.
    Ich schaute zurück und schaute mir den Anführer noch einmal an. Schlagartig wurde mir alles klar. Der Anführer war ein stadtbekannter Nazi, die Männer offensichtlich die ihm hörige Gruppe. Alle wohnhaft in Bremen Nord, also außerhalb der Sperrzone. Sie galten als gewaltbereit, laut und gefährlich, wenn man sich mit ihnen anlegte oder die falsche Hautfarbe hatte. Die meisten von ihnen zählten nicht gerade zur Bildungselite der Gesellschaft, weswegen Hiob sie als Primaten bezeichnete. Parallelen zum bedingungslos gehorsamen, gewissenlos brutalen nationalsozialistischen Fußvolk taten sich auf und irgendwie hatte Hiob natürlich Recht: Waren sie das nicht wirklich immer gewesen? Der Bodensatz der Gesellschaft, von zugegebenermaßen geschickten Anführern gesteuert und die Drecksarbeit für sie erledigend?
    »Ich verstehe. Was machen die Wichser hier?«
    »Hab ich sie schon gefragt. Ein wenig Spaß haben, war die Antwort. Marek, sie haben Trudi getötet. Aus Spaß! Aus Spaß. Die Schweine. Wäre ich noch nur ein wenig mutiger, dann hätte ich…«
    Ich legte ihm die Hand auf die Schulter.
    »Ich weiß. Aber was hättest du ausrichten können? Schau, wie viele sie sind.«
    Er schnaubte bitter, legte dann aber seine Hand auf meine.
    »Wir werden beide dort draußen sterben, mein Freund. Unseren jungen Freund haben sie schon geholt, um ihn in
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