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Stadtlust - vom Glueck, in der Großstadt zu leben

Stadtlust - vom Glueck, in der Großstadt zu leben

Titel: Stadtlust - vom Glueck, in der Großstadt zu leben
Autoren: Katja Barbara und Trippel Schaefer
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Journalisten Jakob Augstein und Martin Rasper, die Bücher über ihre sehr unterschiedlichen Gartenfreuden veröffentlicht haben. Augstein beschreibt in Die Tage des Gärtners die Glücksgefühle, die ihm das ästhetische Gestalten seines Einfamilienhaus-mit-Garten-Idylls am Berliner Stadtrand verschafft. Rasper bekennt sich in Vom Gärtnern in der Stadt – die neue Landlust zwischen Beton und Asphalt zum Guerillagärtner, der nach und nach in die bunten Szenen der »neuen Gartenbewegung« eintaucht.
    Selbst ohne das Wörtchen »Sex« noch einmal auszusprechen, war sich die Talkshowrunde einig: Auch Gärtnern ist die natürlichste Sache der Welt – und ein wunderbares Hobby. Warum? Weil es jedem das bietet, was er sucht. Zerstreuung oder Meditationsersatz. Intensives Naturerleben oder die Bestätigung, Wildwuchs kontrollieren zu können. Bodenhaftung in abgehobenen Zeiten oder Eine-andere-Welt-ist-pflanzbar-Träumereien. Oder einfach nur gutes Gemüse ohne Food-Miles und damit das Gefühl von Autonomie gegenüber der Nahrungsmittelindustrie und ihrer aberwitzigen Handelslog(ist)ik. Das Beste am Gärtnern: Man muss dafür nicht aufs Land ziehen. Wo ein Wille ist, ist auch ein Beet.
    Die heutige Gartenszene ist bunt: Immer schon da waren die traditionellen Einfamilienhausgartenbesitzer, Laubenpieper und Balkonfreunde. Dazugesellt haben sich Baumpaten, deren Engagement darauf beschränkt ist, jedes Jahr ein paar Euro ans örtliche Grünflächenamt zu überweisen, damit die sich mit mehr Budget um geliebte Kastanien oder Linden kümmern können. Baumscheibengärtnerinnen dekorieren das bisschen Erde um den Straßenbaum vor ihrer Tür oder im Hinterhof ganz nach Gusto und Talent zum Primelbeet oder Vier-Jahreszeiten-Gesamtkunstwerk. Die Macher des Onlineportals »mundraub« suchen herrenlose Obstbäume und Sträucher, die abgeerntet werden können, und zeigen sie auf einer Karte an. Sehnsuchtsvolle Immigranten rekultivieren auf einer kleinen Scholle die Kräuter und Düfte ihrer fernen Heimat. Urbane Farmer präferieren aus Überzeugung lieber selbstgezogene und -geerntete Karotten oder Zitronen als die über Tausende Kilometer CO ₂-intensiv hertransportierten aus dem (Bio-)Supermarkt. Dazu kommt die Politfraktion, die übers gemeinsame Gärtnern die Städte, besser noch die ganze Welt, gerechter gestalten will. Und es gibt die ultimativen Medienlieblinge, die Guerillagärtner, die mehr oder weniger heimlich mit Samenbomben um sich werfen oder bei Dunkelheit mit Spitzhacke und Gießkanne Brachen oder Verkehrsinseln in blühende Landschaften verwandeln.
    Wohlfühlgärtnern auf Balkonien
    Die Lust am Gärtnern hat natürlich auch mich erwischt. Schon lange vor den Eisheiligen sieht es bei mir daheim aus, als hätte ich den Gartenmarkt leer gekauft. Töpfe mit Frühlingsblühern überall. Daneben Schälchen mit den Tomaten- und Bohnensamen, die, im Haus vorgezogen, schon Blättchen austreiben. Und Kästen mit Samen, die bislang weder blühen noch treiben. Viel Platz ist ja nicht auf meinem Balkon, doch jahrelang, bis eine Freundin mir das Mitpachten ihres Gartens in Datschendorf anbot, waren mir diese zwei Quadratmeter Landleben genug.
    Das Planen, das Entwerfen, das mit erdigen Händen Sinnieren über das, was da kommen mag in den nächsten Monaten, ist ja ohnehin das Schönste am Gartenjahr – ganz unabhängig von der Größe. Also wieder rein bis zum Ellbogen in den Sack mit Erde und dabei nachfühlen, was Urban-Gardening-Expertin Christa Müller über die »heilende Wirkung des Gartens« geschrieben hat: »Menschen ohne Naturerfahrung drohen seelisch zu verkümmern. Das Glück, das Menschen empfinden, wenn sie in Berührung mit Natur sind, ist Ausdruck davon, dass wir uns aufgehoben und getragen fühlen im Lebendigen in uns.«
    Wie viele Großstadtmenschen sich genauso lebendig fühlen wie ich auf ihrem Balkon – man weiß es nicht. Die Balkonforschung ist in diesem Land nicht weit gediehen. Es gibt zwar alle Arten von Ratgebern über die Kastenbepflanzung von Akelei über Kürbis bis Zitronenmelisse, aber keine Psychologie des Balkonbesitzers; nicht einmal Statistiken oder andere seriöse Studien über Nutzungsprofile in Abhängigkeit von Geschlecht, Einkommen oder was auch immer.
    Allein das Immobilienportal Immoscout hat 2009 einmal ermittelt, in welcher Großstadt Wohnungssuchende das größte Angebot an Wohnungen mit Balkonen finden. Sieger waren Leipzig und Dresden, wo quasi jede dritte neu zu vermietende
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