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Stadtlust - vom Glueck, in der Großstadt zu leben

Stadtlust - vom Glueck, in der Großstadt zu leben

Titel: Stadtlust - vom Glueck, in der Großstadt zu leben
Autoren: Katja Barbara und Trippel Schaefer
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Bleibe über einen Balkon verfügt. München folgt mit 22 Prozent, dahinter Stuttgart, Köln, Hannover, Hamburg und Frankfurt. Berlin ist neunter mit 13,9 Prozent – nur Düsseldorf hat noch weniger.
    Sind das nun gute oder schlechte Quoten? Schwer zu sagen. Man weiß ja nicht, ob die Balkone so verteilt sind, dass Frischluftfreunde einen besitzen und Stubenhocker keinen. Man ahnt nur, dass es nicht so ist. Ich persönlich kenne viele Leute, die sich voll Sehnsucht nach einem Balkon verzehren (und das sind nicht nur Raucher). Andererseits sehe ich, dass viele meiner Straßennachbarn ihren Balkon überhaupt nicht nutzen oder, fast noch schlimmer, nur als Rumpelkammer für Wäscheständer, Joggingschuhe oder Autoreifen. Perlen vor die Säue.
    Andere wiederum wetteifern auf hohem gärtnerischem Niveau um den schönsten Balkon. Lernen in Abendkursen »Weidenzäune bauen«, wie sie die Volkshochschule München Ost anbietet, tauschen sich online aus, wie man »Blumentreppen« oder vertikale Erdbeerpflanzwände fürs Balkongitter arrangiert. Diese Leute schaffen nicht nur ein paar Wohlfühlquadratmeter für sich, sie hübschen die ganze Hausfassade auf. Außerdem bieten sie, sofern sie das Wachstum ihres Dschungels nicht mit Giften aller Art unterstützen, auch Insekten und Vögeln eine Zuflucht (s. Kapitel 5).
    Da kann ich allerdings nicht mithalten. Es fehlt mir der gärtnerische Ehrgeiz. Ich bin zufrieden, wenn Minze und Basilikum duften, hin und wieder ein Blümchen aufgeht und zwei Tomaten von den Wespen verschont bleiben. Aber ständig gießen und arrangieren und hier etwas Welkes wegzupfen und da etwas hochbinden oder Läuse von den Blättern kämmen – das geht zu weit. Außerdem gibt es ja noch die Datsche, die hin und wieder gemäht werden will.
    Das Glück vom Schrebergarten
    Der Forschungsstand zum Kleingarten – hierzulande auch genannt: Laube, Schrebergarten, Datsche (eingedeutscht von der russischen Datscha) – gibt wesentlich mehr her. Zuallererst: Städtisches Gärtnern oder Landwirtschaften ist weder ein neues Phänomen noch eine Erfindung der westlichen Gesellschaft. Viele Hochkulturen hegten bereits Gärten in Städten, ob schwimmend wie bei den Chinampas in Mexiko oder als Nachbildung des Paradieses im ehemaligen Persien. Schon 1993 gingen die Vereinten Nationen davon aus, dass weltweit etwa 800 Millionen Menschen urbane Beete bestellen und damit Lebensmittel für 12 Prozent der Bevölkerung produzieren – die Mehrheit davon in Asien. In Chinas Planwirtschaft wurden jahrzehntelang »Gemüsegürtel« in und um die Großstädte herum gefördert; in afrikanischen Großstädten könnten viele Familien ohne die kleinen Ackerflächen, die sie meist ohne Genehmigung auf Brachen bestellen, nicht überleben (siehe Kasten).
    Auch die deutschen Schrebergärten wurden ursprünglich aus Not erfunden. Allerdings nicht, wie viele meinen, von dem Leipziger Arzt Daniel Gottlob Moritz Schreber. Schreber, der als Begründer der Heilgymnastik Berühmtheit erlangte (1801–1861), interessierte sich lediglich für die körperliche Ertüchtigung beim Gärtnern. Gleichwohl wurde 1864 der erste städtische Kinderspielplatz in Leipzig nach ihm benannt (es gibt in Leipzig auch ein Schrebergässchen und eine Schreberbrücke). Vier Jahre später ließ der Oberlehrer Karl Gsell am Rand dieses Spielplatzes Kinderbeete anlegen, deren Pflege, ebenso wie die Spiele, der Gesundheitserhaltung armer Arbeiterkinder dienen sollten. Nur, die Kinder interessierten sich nicht sonderlich für Gemüse. Stattdessen nahmen die Eltern die Sache in die Hand und schützten die Früchte ihrer Arbeit mit Zäunen: Die erste Schrebergartenkolonie war geboren.
    Zeitgleich hatten auch in anderen Städten wohltätige Menschen oder Vereine »Armengärten« angelegt – ein Segen für die Familien, die während der Industrialisierung unter elenden Wohnbedingungen und Mangelernährung litten. Auch wenn die heutige Situation nicht vergleichbar ist: Viele urbane Gartenprojekte erklären die Grundversorgung armer Menschen wieder zum Ziel.
    In Deutschland grünt es heute auf 46000 Hektar Kleingärten, das entspricht 0,25 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche. Wo sie zu finden sind: hauptsächlich in großen Städten! Ganz vorne dabei Leipzig (6,2 Kleingärten auf 100 Einwohner), Nürnberg (4,6), Hannover (3,4), Bremen (3,1) und Hamburg, Berlin und Frankfurt (2–2,3). Fast exakt eine Millionen Personen sind »offizielle« Pächter, in der Schweiz rund
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