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Stadtgeschichten - 03 - Noch mehr Stadtgeschichten

Stadtgeschichten - 03 - Noch mehr Stadtgeschichten

Titel: Stadtgeschichten - 03 - Noch mehr Stadtgeschichten
Autoren: Armistead Maupin
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»wünscht Ihnen Schnäppchen in rauhen Mengen!«
    Mary Ann Singleton.
    Vielleicht, dachte Frannie. Nur vielleicht …

Ein Tagesgesicht
    Nachfast zwei Jahren beim Fernsehen war Mary Ann Singleton nun endlich eine Frau im Fernsehen.
    Ihre Show Bargain Matinee versuchte sich an einer Auffrischung des alten Dialing-for-Dollars- Schemasfür den Nachmittagsfilm: Die Zuschauer aus der Bay Area bekamen Tips, wie sie beim Einkaufen der Inflation ein Schnippchen schlagen konnten. Schließlich befand man sich in den Achtzigern. Im Gegensatz dazu waren die Filme fest in den Fünfzigern verankert: anheimelnde alte Schinken wie Das Geheimnis von Santa Vittoria, Fieber im Blut oder – gerade aktuell – Traum meines Lebens. Solche Filme hatte man in den Tagen vor dem Equal Rights Amendment Frauenfilme genannt.
    Mary Anns Sternstunde war ein Fünfminutenspot nach der ersten Hälfte des Films.
    Der Inhalt änderte sich kaum: verbeulte Konserven, Zweite-Wahl-Käufe, chinesische Regenschirme als schicke Lampen, selbstgemachtes Parfum, empfehlenswerte Pastaläden, neue Verwendungsmöglichkeiten für alte Kaffeebüchsen. Michael redete hartnäckig von Mary Anns »Hints from Heloise«.
    Mary Ann fand das Hausfrauenimage, das sie in ihrer Sendung vermitteln mußte, eigentlich peinlich, aber sie konnte nicht abstreiten, daß der Fernsehruhm auch eine angenehm erregende Seite hatte: Fremde starrten sie im Bus an; Nachbarn baten sie im Searchlight Market um ein Autogramm auf ihre Einkaufstüten.
    Trotzdem fehlte ihr etwas. Daran hatte sich auch durch den Sprung auf den Bildschirm nichts geändert.
    Mary Ann fand, daß man als Frau im Fernsehen eine glamouröse Enthüllungsjournalistin sein mußte, eine feminine Feministin à la Jane Fonda in Das China-Syndrom oder Sigourney Weaver in Der Augenzeuge. Nur eine Reporterin, die sich ins Geschehen einmischte, konnte eine richtige Fernsehfrau sein.
    Und Mary Ann würde sich nicht mit weniger begnügen.
     
    Sofort nach der Abmoderation verließ sie Studio B und eilte in ihr Kabuff zurück, ohne sich vorher in der Garderobe abzuschminken.
    Es war fünf. Noch konnte sie den Nachrichtenchef erwischen, bevor er für die Abendnachrichten mobil machte.
    Auf ihrem Schreibtisch lag eine Notiz: MRS. HARRISON HAT
    ANGERUFEN.
    »Hast du das angenommen?« fragte sie die Redakteurin von nebenan.
    »Nein, Denny. Er ist in der Cafeteria.«
    Kollege Denny aß gerade einen Happy Snack aus der Mikrowelle. »Wer ist Mrs. Harrison?« fragte Mary Ann.
    »Sie hat gesagt, du wüßtest Bescheid.«
    »Harrison?«
    »Es hat sich jedenfalls so angehört. Sie hatte einen sitzen.«
    »Toll.«
    »Sie hat direkt nach deinem Auftritt angerufen. Sie hat gesagt, es sei (höchst dringend).«
    »Das liegt an Traum meines Lebens. Die Besoffenen rufen immer bei den Schnulzen an. Keine Nummer, hm?«
    Denny zuckte mit den Schultern. »Sie hat gesagt, du kennst sie.«
     
    Larry Kenan, der Nachrichtenchef, rekelte sich in seinem Drehstuhl, verschränkte seine Finger hinter dem fönfrisierten Kopf und schaute affektiert grinsend zu dem Bo-Derek-Poster hoch, das er über seinem Schreibtisch an die Decke geklebt hatte. Die Inschrift war ebenfalls sein Werk und unauslöslich in Mary Anns Bewußtsein eingebrannt: KEINER MACHT’S BESSER ALS LARRY – IN WOLLUST, Bo.
    »Soll ich Ihnen mal die ungeschminkte Wahrheit sagen?« fragte er.
    Mary Ann wartete. Der Blödmann deklarierte seine Meinung immer als die ungeschminkte Wahrheit.
    »Die ungeschminkte Wahrheit ist, daß Sie ein Tagesgesicht haben, und die Zuschauer wollen bei den Sechs-Uhr-Nachrichten kein Tagesgesicht sehen. Basta und Schluß. Ich meine … Mensch, was soll ich sagen, Mädchen? Es ist nicht schön, aber es ist die Wahrheit.« Er riß sich lang genug von Bo Derek los, um Mary Ann sein »Pech gehabt, Kleines« -Grinsen rüberzuschicken.
    »Was ist mit Bambi Kanetaka?«
    »Was soll mit ihr sein?«
    Mary Ann wußte, daß sie vorsichtig sein mußte. »Na ja … sie hatte eine Tagesshow, aber jetzt darf sie …«
    »Bei Bambi ist das was anderes.« Larry funkelte sie an.
    Ich weiß, dachte Mary Ann. Sie bläst auf Befehl.
    »Ihre Werte waren Spitze«, sagte Larry. Er forderte Mary Ann fast dazu heraus, nicht klein beizugeben.
    »Dann testen Sie mich doch auch«, sagte Mary Ann. »Ich laß mich gern …«
    »Wir haben Sie schon getestet, okay? Das war vor zwei Monaten, und Ihre Werte waren der totale Reinfall. Reicht das?«
    Es tat mehr weh, als ihr lieb war. Auf
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