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Stadtgeschichten - 03 - Noch mehr Stadtgeschichten

Stadtgeschichten - 03 - Noch mehr Stadtgeschichten

Titel: Stadtgeschichten - 03 - Noch mehr Stadtgeschichten
Autoren: Armistead Maupin
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Hautwiderstandsmessungen hatte sie noch nie etwas gegeben. Was war schon zu beweisen, wenn man ein paar Zuschauer als Versuchskaninchen an Elektroden anschloß? Nur, daß manche Darsteller die Zuschauer stärker ins Schwitzen brachten als andere. Toll.
    Sie versuchte es andersrum. »Ich bräuchte doch nicht die ganze Zeit vor der Kamera zu stehen. Ich könnte recherchieren. Es gibt ’ne Menge Themen, die die Stammreporter nicht bearbeiten können, weil ihnen die Zeit oder auch die Lust dazu fehlt.«
    Larry verzog den Mund. »Zum Beispiel?«
    »Na ja …« Denk nach, befahl sie sich, denk nach! »Na ja, die Schwulenszene zum Beispiel.«
    »Ach ja?« sagte er mit hochgezogenen Augenbrauen. »Und über die wissen Sie Bescheid, hm?«
    Sie wußte nicht recht, wie sie die Bemerkung auffassen sollte. Hielt er sie für eine Lesbe? Oder spielte er nur wieder mit ihr? »Ich hab ’ne Menge … Kontakte«, sagte sie. Eine Lüge. Na und? Michael hatte eine Menge Kontakte; und das war praktisch dasselbe.
    Er lächelte sie an, wie wohl ein Polizist ein weggelaufenes Kind anlächelte.
    »Ich will Ihnen mal die ungeschminkte Wahrheit sagen«, sagte er. »Den Zuschauern hängen die Schwulen schon zum Hals raus.«

Der Mann in ihrem Leben
    Auch wenn Larry Kenan ein Arschloch war – und daran war inzwischen nicht mehr zu rütteln –, so verschaffte Mary Anns Gehalt ihr doch gewisse Annehmlichkeiten, die das Leben in der Stadt entschieden reizvoller machten:
    Sie aß jetzt im Ciao.
    Sie fuhr einen Le Car.
    Sie trug zu ihren Calvins Samtblazer und Herrenhemden mit Button-down-Kragen – ein Aufzug, den Michael hartnäckig als ›Lesbenklassik‹ bezeichnete.
    Sie hatte alles Gelbe und alle Korbmöbel aus ihrer Wohnung verbannt und sie statt dessen mit stahlgrauem Teppichboden und technizistischen Metallregalen ausgestattet.
    Sie hatte ihr S’an-Francisco- Abo gekündigt und las jetzt Interview.
    Sie hatte sich für immer von Cost Plus verabschiedet.
     
    Trotzdem kam sie gegen einen gewissen Frust wegen ihrer langsamen beruflichen Fortschritte nicht an.
    Dieser Frust steigerte sich nur noch, als sie später am Abend eine besonders spannende Episode von Lou Grant sah, in der eine streitbare Journalistin und ihre Anstrengungen zur Wahrheitsfindung im Mittelpunkt standen.
    Der Schmerz war kaum auszuhalten, weshalb Mary Ann den Fernseher ausschaltete und ins Badezimmer ging, um sich die Haare zu sassoonieren. Manchmal war Duschen das beste Beruhigungsmittel.
    Ihre Haare waren jetzt kürzer als in den letzten Jahren. Leicht strähnig mit einem Schuß Leslie Caron und einem klitzekleinen Anflug New Wave. Etwas Extravaganteres hätte die Geschäftsleitung des Senders nicht hingenommen.
    Als sie ihre neue Frisur mit einem Handtuch trockenrieb, fand sie es erstaunlich, daß sie sich einmal mit langen Haaren so viel Mühe und Umstände gemacht hatte. (»Du wolltest dir die Haare immer hinten hochstecken«, erinnerte Michael sich gern, »aber du hast damit immer ausgesehen wie Connie Stevens.«)
    Nachdem sie ohne Erfolg ihre Kaninchenpantoffeln gesucht hatte, wickelte sie sich in einen übergroßen weißen Frotteebademantel und stieg die Treppe zum Häuschen auf dem Dach der Barbary Lane 28 hinauf.
    Sie blieb einen Moment vor der vertrauten orangen Tür stehen und schaute durch das efeuüberwucherte Fenster in den klaren Sternenhimmel hinaus. Ein lichterfunkelnder Ozeandampfer glitt vorbei, als würde ein riesiger Kronleuchter aufs Meer hinausgeschleppt.
    Mary Ann hörte sich seufzen. Teils wegen der Aussicht. Teils wegen des Mannes, der sie hinter der Tür erwartete.
    Da sie wußte, daß er schon schlief, ging sie ohne Klopfen hinein. Er hatte eine Doppelschicht hinter sich, und die Gäste bei Perry’s waren noch lärmiger und strapaziöser gewesen als sonst. Wie erwartet lag er in seinen Boxershorts bäuchlings auf dem Bett.
    Sie setzte sich auf die Bettkante und legte sacht ihre Hand auf die Mulde am Ende seines Rückens.
    Der schönste Körperteil eines Mannes, dachte sie. Dieses warme kleine Tal kurz vor dem Po. Na ja, vielleicht der zweit schönste.
    Brian bewegte sich, drehte sich dann um und rieb sich wie ein kleiner Junge mit den Fäusten die Augen. »Na«, sagte er mit rauher Stimme.
    »Na«, antwortete sie.
    Sie beugte sich vor, legte sich an seine Brust und genoß die Wärme seines Körpers. Als ihr Mund den seinen suchte, drehte Brian den Kopf weg und murmelte eine Warnung: »Mundgeruch, Schatz.«
    Sie nahm sein Kinn in die Hand
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