Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Stadtgeschichten - 03 - Noch mehr Stadtgeschichten

Stadtgeschichten - 03 - Noch mehr Stadtgeschichten

Titel: Stadtgeschichten - 03 - Noch mehr Stadtgeschichten
Autoren: Armistead Maupin
Vom Netzwerk:
Turteltäubchen sind mal ganz gern ein bißchen allein. Außerdem … spiel hier bloß nicht den Doktor.«
    Jon zuckte mit den Schultern. »Ich bin nicht in Weiß, oder?«
    »Aber drauf und dran … ich merk es dir an. Warum legst du dich nicht ein bißchen schlafen, Jon? Wie lang bist du überhaupt schon hier?«
    »Mach dir um mich keine Sorgen«, sagte Jon. »Wenn Mary Ann fertig ist, fahr ich mit ihr nach Hause.«
    »Ist Mrs. Madrigal schon gegangen?«
    Jon nickte. »Bambi sollte schon längst ihr Mittagessen haben.«
    »Ach Gott«, stöhnte Michael. »Das kleine Drama hab ich ja völlig vergessen!«
    »Geht’s uns nicht allen so?«
    »Mary Ann hat gesagt, daß sie das als nächstes auf ihrer Liste hat … jetzt, wo die Zwillinge wieder da sind. Ach so, hast du von der Polizei was gehört? Was Neues, mein ich?«
    Jon schüttelte den Kopf. »Ich glaub auch nicht, daß da was kommt. Keine Autonummer, keine genaue Beschreibung. Als die Leute, die euch gefunden haben, bei der Polizei angerufen haben, war seit dem Überfall schon eine halbe Stunde vergangen. Ich denke, das müssen wir uns abschminken, Michael.«
    Michael bekam glasige Augen.
    »Hallo«, sagte Jon. »Bist du noch da, Sportsfreund?«
    »Ja.«
    »Es war ’ne schreckliche Sache, Michael, aber du darfst dich davon nicht fertigmachen lassen. Laß dir von diesen Dreckschweinen nicht deine Einstellung zum Leben umkrempeln. He, Sportsfreund … sieh mich an.«
    Michaels Unterlippe zitterte unkontrollierbar. Tränen liefen ihm übers Gesicht. »Ich weiß, Jon … darum geht’s nicht. Es ist nur …«
    »Was?«
    »Meinst du, sie geben mir die Schuld daran?«
    Jon sah ihn verständnislos an. »Wer?«
    »Mary Ann und Brian.«
    »Michael … um Himmels willen, was redest du da?«
    »Na ja«, antwortete Michael mit zitternder Stimme. »Die Typen, die uns angegriffen haben … sie haben uns beide für schwul gehalten … und … wenn ich nicht dabeigewesen wäre …«
    »O Gott«, murmelte Jon.
    »Nein, hör zu … bei Brian haben sie völlig danebengelegen. Bei ihm hatten sie noch viel weniger Grund, ihn anzugreifen, als bei mir. Aber ihn hat’s viel schlimmer erwischt. Er …«
    »Noch viel weniger Grund, hm? Das soll wohl heißen, daß es überhaupt einen Grund gab, dich anzugreifen, was? Siehst du das denn so, Michael? Glaubst du wirklich, daß du es mehr verdient hast als Brian?«.
    »Jon … ich hab nicht …«
    »Verdammt noch mal, Michael! Wie kannst du so was überhaupt sagen? Brian sieht es nicht so! Und Mary Ann auch nicht. Du bist der größte Schwulenhasser von uns allen. Mein Gott, was hat das Schwulsein mit der ganzen Sache zu tun?«
    Michael sah ihn flehend an. Ihm standen die Tränen in den Augen. »Jon … bitte … ich bin rausgekommen, weil ich in den Arm genommen werden wollte.«
    Sein Wunsch wurde sofort erfüllt. »Hör mal«, sagte Jon direkt in Michaels Ohr, »von dir hab ich gelernt, so, wie ich bin, glücklich zu sein. Laß mich jetzt nicht im Stich, Kleiner.«
    »Jon, ich kann einfach nicht mehr …«
    »Und ob du kannst«, sagte der Doktor. »Du bist der zäheste kleine Kämpfer, den ich kenne. Du stehst immer an vorderster Front … und dort will ich dich auch in Zukunft sehen. Mensch, Michael … ich bin der Kerl, der nicht wollte, daß du ihn auf dem Flughafen küßt.«
    Schweigen.
    »Ich hab mich geändert«, ergänzte Jon. »Und das geht auf dein Konto.«
    Michael richtete sich auf und schaute ihm in die Augen. »Von wem hast du dich inzwischen auf dem Flughafen küssen lassen?«
    Jon antwortete in gespielter Lässigkeit. »Ach … von ’ner Menge Leute.«
    »Darauf wette ich.«
    »Willst du’s mal im Krankenhaus versuchen?«
    Sie küßten sich fast eine halbe Minute lang – bis die Oberschwester auf ihre Station zurückkam.
    Sie räusperte sich laut. »Wenn ich bitten dürfte, meine Herren.«
    Jon schaute lächelnd zu ihr hoch. »Schon gut«, sagte er. »Ich bin Arzt.«

Möglichkeiten
    Als Mary Ann die Kellertreppe hinunterstieg, fand sie Bambi zusammengerollt auf einem alten Sofa, mit dem Mrs. Madrigal zu ihrer Bequemlichkeit hatte beitragen wollen.
    Ein langgezogener Schatten fiel über ihr Gesicht, als sie mürrisch aufschaute.
    »Dafür werden Sie noch büßen«, sagte sie drohend.
    »Das ist anzunehmen«, sagte Mary Ann.
    »Ich red aber nicht vom Sender … ich red von einem Strafverfahren. Sie stecken bis zum Hals in der Scheiße, Mary Ann.«
    Es war unheimlich, mitzuerleben, wie sehr Larry Kenans ordinäres Gerede
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher