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Stadt der Schuld

Stadt der Schuld

Titel: Stadt der Schuld
Autoren: Eva-Ruth Landys
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erschöpft an eine Hauswand und schlang schützend die Arme um ihren Bauch.
    »Alles in Ordnung mit dir?«, fragte Aaron besorgt.
    Cathy nickte mit geschlossenen Augen. »Ja, mach dir keine Gedanken. Ich bin nur müde.«
    »Es wäre vielleicht doch besser gewesen, wenn du nicht mitgekommen wärst«, meinte Aaron ein wenig unwirsch. »Ich wollte nicht, dass du das in deinem Zustand mit ansehen musst.«
    Cathy richtete für einen Augenblick still den Blick auf ihn. »Aaron, glaubst du denn, ich sehe das alles nicht? Glaubst du denn, ich sehe die Not nicht, die hungrigen Kinder in den Gassen, die armen Kleinen unter den Spinning Mules, die sich fast zu Tode schuften, die ausgezehrten, müden Gesichter der Frauen und Männer? Glaubst du, ich höre das allgegenwärtige Husten und Stöhnen nicht? Ich höre und sehe es, genauso wie du, Aaron. Ich wünschte, das alles wäre nicht so, aber wir können es nicht ändern. Doch wir leben, Aaron. Manchmal ist es sehr schwer, aber wir leben. Ich bin so dankbar, dass wir zusammen sind, dass dieses neue Leben in mir wächst. Dankbar, dass wir endlich fort sind von Whitefell! Du ahnst nicht, wie sehr.«
    Aaron stand unschlüssig neben ihr, seine Kiefermuskeln mahlten. Dann wandte er den Blick ab, verschloss sich. Bitteres Schweigen lastete zwischen ihnen.
    »Was wird nun aus Ruth und den Kindern? Kann man irgendetwas tun?«, fragte Cathy nach einer Weile vorsichtig. »Weißt du, ob William in die Gemeinschaftskasse gezahlt hat?«
    Aaron lachte freudlos auf. »Wovon denn, bitte? Du hast doch gesehen, in was für einem Loch sie hausen. Da war kein Geld da für den Beitrag in die Arbeiterkasse. Die helfen auch nur denen, die es sich leisten können. Das sind die wenigsten. Ruth hat keine Chance. Wahrscheinlich enden sie im Armenhaus, wenn es ihr oder den älteren Mädchen nicht gelingt, eine Arbeit zu finden. Mit dem Falten von Schachteln werden sie es jedenfalls nicht schaffen. Es ist sogar fraglich, ob sie in dem Raum bleiben können. Einer der Hausbewohner hat mir gesagt, dass der Verwalter ein sturer Hund ist, der nicht mit sich reden lässt. Es wundert mich nicht, dass sie sich die Augen aus dem Kopf weint.«
    »Aber ich könnte sehen, ob ich etwas für sie tun kann. Vielleicht kann ich die Mädchen oder den kleinen William als Putzer bei den Speed Frames unterbringen, oder eben sonst irgendwo«, wandte Cathy hoffnungsvoll ein. »Auf alle Fälle sollten wir tun, was immer wir können, damit ihnen das Armenhaus erspart bleibt. Das werden sie nicht lange überleben. Ich will, sobald es geht, noch einmal mit Ruth sprechen und gemeinsam mit ihr überlegen, ob sich nicht eine Lösung findet.«
    Aaron wandte ihr wieder sein übermüdetes Gesicht zu, die Lippen zu einem schmalen Strich zusammengepresst. Der dunkle Schimmer seines Bartwuchses ließ seine Gesichtszüge übermäßig bleich erscheinen. »Ich bezweifle, dass es da eine Lösung gibt«, sagte er hart.

Kapitel 3
    London, 18. Oktober 1840
    Kapitel 3
    Mr Robert Armindale rückte sorgfältig den Zylinder zurecht, bevor er die Gangway des Dreimasters hinunterschritt. Es tat gut, wieder englischen Boden zu betreten und es war noch besser, dies mit der Gewissheit des kommenden Erfolgs zu tun. Seine Reise nach Indien hatte sich, weiß Gott, gelohnt! Sein Auftraggeber, der ehrenwerte Mr Francis de Burgh, konnte und würde zufrieden sein. Es war schwierig gewesen und einem anderen, weniger erfahrenen Detektiv wäre es sicher nicht gelungen, die gut verwischten Spuren nach England ausfindig zu machen. Aber einem Mann wie ihm konnten nicht einmal diese indischen Teufel in Bombays Gassen etwas vormachen. Armindale lächelte selbstzufrieden. Zunächst einmal würde er sich jetzt ausruhen, dann vielleicht noch einen Besuch in einem der besseren Herrenetablissements der Stadt vornehmen und sich dann auf den Weg zu de Burgh machen, um diesem Bericht zu erstatten. Fröhlich pfeifend ging er die Pier hinunter.
    ***
    Isobel betrachtete ihren Gatten mit abschätziger Miene, während dieser – peinlich darauf bedacht, ihrem Blick auszuweichen – wieder seine Kleider anlegte. Ungnädig sah sie ihm zu, wie er mit schlaff baumelndem Gemächt in Unterhose und Pants stieg. Seltsam, dass sie seinen eigentlich doch angenehm männlichen Körper nach wie vor als so wenig inspirierend empfand, obwohl sie doch oft genug und sehr intensiv ihren Gelüsten nachgaben. Für einen flüchtigen Moment übermannte sie die Erinnerung an jenen anderen Körper, der ihr
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