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Stadt der Piraten

Stadt der Piraten

Titel: Stadt der Piraten
Autoren: Ernst Vlcek
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eingeschlagene Richtung beizubehalten. Er hatte aber nichts dabei, um seinen Weg zu markieren. Er begann einzusehen, dass er auf diese Weise wohl nie zum thormainischen Brunnen gelangen würde. Er traute sich nicht einmal zu, den Weg zurück zu finden. Darum beschloss er, zur Oberwelt hochzuklettern.
    Er stellte die Laterne auf einen Vorsprung über ihm, damit er beide Hände frei hatte, um sich hinaufzuziehen. Da gewahrte er über sich eine Bewegung, ein Luftzug kam von dort und brachte die Laterne zum Erlöschen.
    Mythor erstarrte. Er wusste, dass er auf einmal nicht mehr allein war. Er fühlte es geradezu körperlich, dass jemand um ihn war, und gleich darauf vernahm er auch eindeutige Geräusche. Es war wie das Scharren nackter Füße auf dem rauen Stein, das Schleifen von Stoff über diesen, und dazu kam ein Räuspern und rasselndes Atmen.
    Etwas Raues strich sanft über sein Gesicht!
    Mythor spannte die Schwerthand an und wollte eine Abwehrbewegung machen, aber da wurde sein Handgelenk mit festem Griff gepackt.
    Über ihm erklang eine raue Stimme, die irgend etwas Unverständliches sagte. Mythor hörte nur aus dem Tonfall, dass es keine Drohung sein konnte.
    »Was willst du von mir?« fragte er, und seine Stimme klang ihm selbst fremd.
    »Wir.«, kam es aus mehreren Kehlen gleichzeitig und kaum verständlich. Also hatte er es mit mehreren Gegnern zu tun. Aber waren es überhaupt Gegner?
    »Helfen. still«, erklang es dicht über ihm, und wieder strich etwas Raues, Schwieliges über seinen Arm und seine Schulter, das er nun als derbe Hand erkannte.
    Mythor hielt still, als sich die Hand über seine Schulter zu seinem Gesicht hochtastete und sanft, zögernd und verschüchtert geradezu, über seine Haut strich.
    »So glatt. schön«, sagte die Stimme von vorhin ehrfürchtig. »Nicht von uns. andere Welt.«
    »Ich komme aus Thormain«, erklärte Mythor.
    »Nein«, sagte die Stimme bestimmt.
    Mythor berichtigte sich: »Ich habe gemeint, dass ich aus Thormain herabgestiegen bin. Aber ich stamme nicht von hier.«
    »Wir wissen.«
    »Was wollt ihr von mir?« fragte Mythor. »Wenn ihr keine feindlichen Absichten habt, warum habt ihr dann meine Laterne ausgeblasen?«
    »Uns nicht sehen. so hässlich.«
    »Euer Anblick hätte mich gewiss nicht erschreckt«, versicherte Mythor.
    »Still!« Das klang wie ein Befehl. Mythor verstummte und bewegte sich nicht. Die Hand strich ihm über das rechte Ohr. Die Ohrmuschel wurde nach vorne gedrückt, und Mythor spürte dahinter den Druck der Finger.
    »Was soll das?« rief Mythor aus und schüttelte die Hand ab.
    »Ich komme mir wie ein Vieh vor, das vom Schlächter begutachtet wird.«
    »Nein!« schrie die Stimme wieder, und es klang gequält. »Nicht so reden. Nicht wahr. Anders, ganz anders. Du, du! Wohin?«
    »Ich suche den thormainischen Brunnen«, sagte Mythor.
    Rund um ihn erklang es wie ein vielstimmiges Echo: »Brunnen! Brunnen!«
    Die Stimmen ließen ihn frösteln, obwohl ihm versichert worden war, dass er nichts zu befürchten habe. »Wir mit dir! Mitkomm, komm.«
    Mythor hatte auf einmal kein Verlangen mehr, den thormainischen Brunnen aufzusuchen, zumindest wollte er nicht in dieser Begleitung dorthin. Wenn sie ihm nicht nach dem Leben trachteten, so hieß das noch längst nicht, dass sie auf seine Wünsche eingehen würden. Es mochte sich um irgendwelche Götzendiener handeln, die vielleicht nur darauf bedacht waren, ihn dem Brunnen zu opfern. Selbst wenn seine schlimmsten Befürchtungen nicht zutrafen, wollte er sich nicht diesen unheimlichen Leuten ausliefern.
    »Ich kann jetzt nicht mitkommen«, sagte Mythor. »Ich muss zu meinen Freunden zurück, sie erwarten mich.«
    Ein enttäuschtes Murmeln machte die Runde. »Wiederkommen?« fragte die Stimme über ihm.
    »Bestimmt«, versprach Mythor. »Ich werde den thormainischen Brunnen ganz gewiss aufsuchen.«
    »Gut, gut«, sagte die Stimme. »Wamdon da. Wamdon!«
    »Ich werde mir den Namen merken«, versprach Mythor.
    »Gut, gut!«
    Er wurde am Arm gepackt und hochgezogen. Bevor er mit den Beinen noch richtig Halt gefunden hatte, ergriffen ihn andere Hände und reichten ihn weiter. Und immer wurde ihm ein und derselbe Name aus der Dunkelheit zugeraunt: »Wamdon! Wamdon!«
    Eine krächzende Stimme vertraute ihm an: »Du klug, Wamdon klug!«
    Und weiter ging es. Mythor stellte sich vor, dass die Unbekannten eine Kette bildeten, in der er von Hand zu Hand ging. Er hatte nicht mitgezählt, wie oft er ergriffen wurde, aber er
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