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Stadt der Piraten

Stadt der Piraten

Titel: Stadt der Piraten
Autoren: Ernst Vlcek
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es dennoch tue, den sehe man nie wieder. Manchmal, so sagte Yargh, durchdringe die Nacht ein schauriger Schrei, dem unweigerlich das Geräusch eines im Wasser auftreffenden Körpers folge, und dann wisse man, dass sich wieder jemand zu nahe an den thormainischen Brunnen herangewagt habe und von den Mächten der Finsternis hinabgeholt worden sei.
    »Wäre es nicht möglich, dass der thormainische Brunnen in Wirklichkeit vom Lichtboten errichtet worden ist?« erkundigte sich Mythor.
    »Narr!« sagte Yargh abfällig. »Diesen Punkt der Welt hat der Lichtbote nicht einmal gestreift, denn wie anders kann es sein, dass dieser Ort alles Unheil wie magisch anzieht? Diese Stadt ist finster und schmutzig. Moder und Fäulnis waren hier schon seit Anbeginn der Welt zu Hause. Nein, nein, Junge, Thormain ist verflucht, eine Stadt der Verdammten. Und sei gewiss, dass durch den thormainischen Brunnen einst der Unrat der Welt quellen und die Stadt und seine Bewohner verschlingen wird.«
    »Ich möchte den Brunnen dennoch sehen«, verlangte Mythor.
    »Zähle dabei nicht auf mich«, sagte Yargh abwehrend. »Lieber lasse ich mich von Welleynn schultern, als mich diesem abgrundtiefen Schacht zu nähern. Genug geplaudert. Es wird Zeit, dass wir die Vorbereitungen für das Fest treffen. Wenn Kend und seine Kumpane eintreffen und wir ihnen nicht Speise und Trank bieten können, dann treiben sie ihre übelsten Scherze mit uns. Wir müssen sie satt und trunken machen, um diese Nacht mit halbwegs gesunden Gliedern zu überstehen.«
    »Und woher Speise und Trank nehmen, wenn nicht stehlen?«
    »Eben stehlen, sagte ich es doch bereits«, antwortete Yargh, als sei das die natürlichste Sache der Welt. »Ich werde euch sogar verraten, wie ihr es bewerkstelligen könnt. Von meinem Keller aus gibt es einen Zugang in die uralten Gewölbe. Von dort könnt ihr in die Vorratskammer des Wirts der Schenke Zum Nöffenwurm gelangen, wo es alles zu holen gibt, was wir für unser Gelage brauchen. Ich werde euch den Weg aufzeichnen, dann könnt ihr ihn gar nicht verfehlen.«
    »Und was ist mir dir?« fragte Nottr misstrauisch .
    »Ich habe inzwischen andere Vorbereitungen zu treffen«, antwortete Yargh und fragte herausfordernd: »Ihr werdet euch doch nicht davor fürchten, allein in die Tiefe zu steigen?«
    *
    Yargh übergab Mythor das Pergament, auf dem er den unterirdischen Gang eingezeichnet hatte, an dessen Ende sie die Speisekammer und den Weinkeller der Schenke Zum Nöffenwurm finden sollten. Auf Mythors Verlangen zeichnete Yargh auch die Richtung an, in der das Nest und der thormainische Brunnen lagen. Sie hatten sich darauf geeinigt, dass Kalathee in Yarghs Haus zurückblieb. Einerseits, weil das Unternehmen doch nicht ganz ungefährlich war, andererseits wollte Yargh das Mädchen als Pfand haben, um sicher sein zu können, dass die drei Männer auch wirklich zurückkamen.
    »Da habt ihr ein Licht«, sagte Yargh, als sie im Keller vor dem schmalen Wanddurchbruch standen, und reichte Sadagar eine Öllampe. »Es wird lange genug brennen, dass ihr die Vorratskammer erreichen und plündern könnt. Ihr müsst euch jedoch beeilen und zusehen, dass ihr bald wieder umkehrt. Leider kann ich euch nicht mehr Öl für einen längeren Aufenthalt überlassen.«
    Nottr murmelte ein Schimpfwort, mit dem er seine Meinung über die Wesensart des kleinen, verschlagenen Mannes kundtat.
    »Bleib im Haus, was auch immer geschieht!« trug Mythor Kalathee zum Abschied auf. »Wir sind bald wieder zurück.«
    Er küsste sie sanft auf die Wange, dann drang er hinter Sadagar in den Hohlraum hinter der Kellerwand ein. Nottr bildete den Abschluss .
    »Mir macht nur eines Sorge«, sagte Sadagar, als sie allein waren und Yargh sie nicht mehr hören konnte. »Dieser verschlagene Zwerg weiß, dass wir keine Musikanten sind, und er muss längst erkannt haben, dass wir Kalathee nur auf alt geschminkt haben. Wenn er uns verrät, könnte ihm das einige Vorteile verschaffen.«
    »Nicht bei Kend und dessen Kumpanen«, sagte Mythor überzeugt. »Diesen Piraten scheint es Spaß zu machen, Yargh bis aufs Blut zu quälen. Er braucht uns als Handlanger.«
    »Trauen dürfen wir Yargh trotzdem nicht«, sagte Nottr.
    Der Hohlraum war an manchen Stellen so niedrig, dass sie sich bücken mussten. Sadagars Öllampe beschien mächtige Felsquader, die scheinbar willkürlich gegeneinander verschoben waren und selten gerade Linien bildeten. Manche der grob behauenen Felsblöcke waren mannsgroß, und sie
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