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Stadt der Lügen

Stadt der Lügen

Titel: Stadt der Lügen
Autoren: David Ambrose
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patriotische Pflicht erfüllt; mit ihm zu vögeln war freiwillig gewesen und stand für dieses Wochenende nicht auf dem Programm, Geburtstag hin oder her.
    Gerade hatte sie jemanden gebeten, ihr ein neues Glas Champagner zu bringen und war auf einen Stuhl gestiegen, damit man sie aus dem Kleid schälen konnte, als es plötzlich ganz still im Zimmer wurde. Sie hatte es nicht erwartet, aber sie kannte diese Art Stille. Sie entstand, wenn ein sehr berühmter Mensch sich zu einer kleinen Gruppe Leute gesellte. Sie selbst rief oft eine ähnliche Reaktion hervor. Aber die Stille jetzt ging tiefer. Die Leute im Zimmer waren an Filmstars gewöhnt. Man brauchte mehr als Ruhm, um eine solche Haltung hervorzurufen. Man brauchte Macht. Sie blickte über die Schulter und entdeckte Jack.
    Die Leute verschwanden einer nach dem anderen, als hätte er es ihnen befohlen. Dabei sah er sie nicht einmal an; er schien sie überhaupt nicht zu bemerken. Seine Augen ruhten auf ihr, und um seine Lippen spielte der Ansatz eines amüsierten Lächelns. Er bewegte sich nicht, bis die Jungs vom Secret Service die Tür verschlossen und sich zu den anderen draußen auf dem Flur gesellt hatten. Erst dann begann er zu sprechen.
    »Du warst umwerfend. Das Lied war gut. Das Kleid übrigens auch.«
    »So natürlich?«, hakte sie mit leicht erhobener Augenbraue nach.
    Er lachte. »Stimmt. Sehr natürlich.« Er ging einen Schritt auf sie zu. »Was machst du da oben?« Während er das sagte, streckte er eine Hand aus, um ihr von dem Stuhl herunterzuhelfen. Sie übersah es.
    »Ich wollte mich gerade umziehen«, sagte sie.
    »Tu es nicht«, meinte er. »Trag es zur Party.«
    Immer noch hielt er ihr die Hand hin. Sie nahm sie und kletterte hinunter. So verschaffte sie sich Zeit, darüber nachzudenken, was sie sagen sollte.
    »Ich gehe nicht zur Party«, erklärte sie. Jetzt blickte sie zu ihm auf anstatt auf ihn hinunter. Sie wünschte, sie wäre auf ihrem Stuhl geblieben.
    »Ach was!« Er nahm sie nicht ernst. »Du wirst mich doch nicht hängen lassen. Alle wollen dich kennen lernen.«
    Sie fragte sich, was er im Sinn haben mochte. Wollte er sie etwa herumreichen wie ein Stück Geburtstagstorte? »Ich fühle mich nicht wohl«, begann sie, aber er hörte nicht zu.
    »Wir fahren zusammen hin«, sagte er. »Zieh dir was über, und dann nichts wie los.«
    Das hatte sie allerdings nicht erwartet. Zusammen hinfahren? Bisher hatte sie sich immer verstecken müssen, Sonnenbrille und eine dunkle Perücke getragen und war durch Hintereingänge und per Lastenaufzug in die Präsidentensuite geschmuggelt worden. Was ging hier vor? War es etwa möglich, dass er ihre Verbindung öffentlich bekannt geben wollte? Alle seit dem ersten Treffen gehegten, sehnsüchtigen Träume überschlugen sich plötzlich in ihrem Kopf. Natürlich wusste sie, dass es nichts als ein Hirngespinst war, seine Frau ausstechen zu können und First Lady der Vereinigten Staaten zu werden. Aber manchmal wurden Hirngespinste ja auch wahr! Sie brauchte nur ihr eigenes Leben zu betrachten: Ein kleines Mädchen aus Nirgendwo wurde zum berühmtesten weiblichen Filmstar Hollywoods, heiratete einen der erfolgreichsten Athleten Amerikas und anschließend den bekanntesten Dramatiker des Landes. Wenn das kein wahr gewordenes Märchen war! Und jetzt?
    Er küsste sie auf den Mund. Gleichzeitig ließ er seine Hand an ihrem Rücken heruntergleiten und drückte ihre linke Pobacke so fest, dass sie unwillkürlich leicht aufstöhnte. Doch sie war ihm deshalb nicht böse. Er blickte sie mit einem so weichen Ausdruck an, dass sie alles vergab und vergaß, außer wie sehr sie ihn liebte und begehrte.
    »Wie zum Teufel geht dieses Ding auf?«, fragte er. Seine Hände waren jetzt überall, fummelten und zerrten an ihrem Kleid herum.
    »Ich dachte, ich soll es bei der Party tragen«, sagte sie.
    »Schon, aber …«
    »Wenn ich es ausziehe, bekomme ich es nicht mehr an«, erklärte sie leise lachend. Sie fühlte sich wundervoll, leicht wie eine Feder und glücklich wie ein kleines Mädchen.
    »Lass uns gehen«, sagte er. Mit breitem Lächeln griff er nach ihrer Hand und führte sie zur Tür. Die beiden Jungs vom Secret Service nahmen Haltung an, als er sie öffnete. Alle anderen hatte man offenbar fortgeschickt.
    Sie lachte noch immer, als er sie hinter sich her den Flur entlangzog. Sie kam kaum mit; das enge Kleid zwang sie zu unsicheren, kleinen Schritten. Schließlich standen sie vor dem weit geöffneten Schlag der
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