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Stadt der Finsternis - Andrews, I: Stadt der Finsternis

Stadt der Finsternis - Andrews, I: Stadt der Finsternis

Titel: Stadt der Finsternis - Andrews, I: Stadt der Finsternis
Autoren: Ilona Andrews
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nicht vollends zähmen. In seinen Augen blieb sie gegenwärtig.
    »Geht es hier um das Rudel oder um etwas Persönliches?«
    »Um etwas Persönliches.«
    »Weiß Curran davon?«
    Derek sah zu Boden.
    Ich fasste das als Nein auf. »Kann ich dir irgendwie helfen?«
    »Nein.«
    »Ich hab den weiten Weg auf mich genommen, um dich hier herauszuhauen, und du erzählst mir nicht mal, worum es eigentlich geht?«
    Er schüttelte den Kopf und machte sich in die Nacht davon. So viel zum Thema schlechtes Gewissen.
    Ich sah ihm nach, wie er in den unverkennbaren, langbeinigen und leichtfüßigen Wolfsgang verfiel. Auf diese Weise konnte er tagelang weiterlaufen und Meile um Meile zurücklegen. Am Ende des Parkplatzes setzte Derek dazu an, über eine hüfthohe Betonmauer zu springen, überlegte es sich mitten im Sprung aber anders. Es war ein erstaunlicher Anblick: Er schoss in die Luft, unfähig, sich zu bremsen, doch statt nach vorn, sprang er empor, landete fast genau dort wieder, wo er abgesprungen war, drehte sich um und kam zu mir zurückgelaufen.
    Im nächsten Augenblick stand er wieder vor mir. »Das war gelogen. Ich brauche deine Hilfe.«
    »Wen bringen wir um?«
    »Hast du was zum Schreiben?«
    Ich holte einen Notizblock und einen Bleistift aus meinem Wagen. Derek schrieb etwas, riss das Blatt ab und faltete es zusammen. »Versprich mir, dass du das nicht lesen wirst. Das ist wichtig. Es ist die wichtigste Sache in meinem ganzen Leben. An den Midnight Games nimmt ein Mädchen teil. Sie heißt Livie. Sie gehört zum Team der Reaper. In diesem Team gibt es nur zwei Frauen, und sie ist die mit den langen, dunklen Haaren. Gib ihr diesen Zettel. Bitte.«
    Ein Mädchen. Wegen eines Mädchens riskierte er es, Currans Zorn auf sich zu ziehen.
    Oberflächlich betrachtet ergab das durchaus einen Sinn. Er war neunzehn Jahre alt und entsprechend vollgepumpt mit Hormonen. Doch andererseits war mir Derek nie als der Typ erschienen, der sich Hals über Kopf verlieben würde. Normalerweise war er nämlich ein Stoiker vor dem Herrn. Hinzu kam, dass er Curran über alles verehrte. Es musste mehr dahinterstecken. Doch leider imitierte Dereks Miene sehr überzeugend eine Granitmauer.
    »Du wolltest die Eintrittskarten klauen, um einem Mädchen einen Zettel zuzustecken?«
    »Ja.«
    Ich kratzte mich am Kopf. »Ich weiß ganz genau, dass du in Schwierigkeiten steckst. Ich kann es förmlich riechen. Normalerweise kommt jetzt der Moment, wo ich dir schreckliche körperliche Schmerzen androhe und dir verspreche, auf deinem Grab zu tanzen, wenn du mir nicht alles verrätst, was du weißt. Es gibt da bloß ein kleines Problem.«
    Derek grinste, und einen Moment lang stand da wieder in seiner ganzen Pracht der Wunderknabe vor mir. »Dass ich dir die Drohung nicht abnehme, mir jeden Knochen im Leib einzeln zu brechen?«
    »Genau.«
    Er lachte bellend auf.
    »Sag mir, worum es hier geht. Was es auch ist – ich werde dir helfen.«
    »Das kann ich nicht, Kate. Es ist etwas, das ich alleine hinkriegen muss. Gib ihr bitte bloß diesen Zettel, ja? Versprich es mir!«
    Ich hätte ihn am liebsten gepackt und geschüttelt, bis die Geschichte aus ihm herausgepurzelt wäre. Doch die einzige Möglichkeit, in dieser Sache am Ball zu bleiben, bestand darin, brav den Zettel zu überbringen. »Versprochen.«
    »Und schwörst du, dass du ihn nicht lesen wirst?«
    Heiliger Strohsack! »Jetzt gib mir schon den verdammten Zettel. Ich hab dir doch schon versprochen, dass ich ihn nicht lesen werde.«
    Er hielt mir den Zettel hin, und ich nahm ihn.
    »Danke.« Ein leises, zufriedenes Lächeln spielte um seine Lippen. Dann ging er zwei Schritte rückwärts und lief wieder los. Und ehe ich mich versah, war er fort, in einer dunklen Gasse verschwunden.
    Ich stand auf dem Parkplatz und hielt den Zettel in der Hand. Eine leichte Gänsehaut lief mir über den Rücken. Derek steckte in Schwierigkeiten. Ich wusste weder inwiefern noch wieso, hatte aber das deutliche Gefühl, dass es a) nicht gut stand und b) böse enden würde. Wenn ich auch nur ein Fünkchen gesunden Menschenverstand besessen hätte, hätte ich den Zettel auf der Stelle auseinandergefaltet und gelesen.
    Ich seufzte, setzte mich in den Wagen und legte den Zettel ins Handschuhfach. Gesunder Menschenverstand war bei mir leider Mangelware. Ich hatte es versprochen, und ich würde mich daran halten.
    Ich hatte Rückenschmerzen. Die Müdigkeit steckte mir mittlerweile in den Knochen. Ich wollte mich nur noch irgendwo
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