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Stadt der Blumen strava3

Stadt der Blumen strava3

Titel: Stadt der Blumen strava3
Autoren: hoffman
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Die täglichen Aufgaben warteten auf sie: Einige fütterten die Fische im Teich des Kreuzgangs, einige ernteten Mohrrüben und andere kümmerten sich um die Reben. Selbst die Mitglieder des Chors hatten sich zerstreut und Bruder Sulien blieb allein in dem dämmrigen Morgenlicht im Inneren der Kirche zurück.
    Steif kniete er in dem Mittelstück nieder, einem Kreis, der von sechs kleineren Kreisen umgeben war, die ihn wie Blütenblätter umgaben. Im Herzen des Kreises befand sich eine Intarsienfigur, die jetzt von der Kutte des Mönchs verhüllt wurde. Ein morgendlicher Besucher in Santa-Maria-im-Weingarten hätte wohl ernsthaft Mühe gehabt, Bruder Sulien dort am Boden zu entdecken. Er hatte die Kapuze über das Gesicht gezogen und kniete vollkommen bewegungslos im Mittelpunkt des Labyrinths.
    Nachdem Bruder Sulien lange meditiert hatte, erhob er sich, sagte Amen und begann den gemessenen Rückweg aus dem Labyrinth in sein tägliches Leben. So fing jeder Tag für Sulien an, doch an dem heutigen war etwas anders. Am Ende des Rituals breitete er wie üblich einen abgewetzten Teppich über das Labyrinth, aber statt durch den großen Kreuzgang zu seiner Arbeit in die Farmacia zu gehen, ließ er sich in einem Kirchenstuhl nieder und lenkte seine Gedanken auf die Zukunft.
    Er musste an die Gefahr denken, die der Stadt Giglia drohte, und an das Ungemach, das sich zusammenbraute. Die bedeutende Familie di Chimici, auf deren Reichtum sich der Wohlstand der Stadt gründete, war noch geschäftiger als sonst. Der Herzog hatte die bevorstehenden Hochzeiten mehrerer jüngerer Familienmitglieder angekündigt, einschließlich der seiner drei verbliebenen Söhne, die alle mit Cousinen vermählt werden sollten. Und keiner bezweifelte, dass es sich um mehr als nur um Liebesheiraten handelte.
    Es war allgemein bekannt, dass der Herzog in der ganzen Stadt ein immer größer werdendes Netzwerk von Spitzeln unterhielt. Geleitet wurde es von einem seiner ruchlosen Agenten, der allgemein unter dem Spitznamen »l’anguilla«, der Aal, bekannt war – so genannt, weil er sich überall durch- und herauswinden konnte.
    Dieser Spitzel sollte hier und in anderen Städten alles Wissenswerte über eine bestimmte Bruderschaft herausfinden, einen Orden gelehrter Männer und Frauen
    – Wissenschaftler, wie einige sie nannten, andere sprachen jedoch eher von Magiern. Bruder Sulien verlagerte beim Gedanken an diese Bruderschaft, zu der auch er selbst gehörte, auf dem harten, hölzernen Kirchenstuhl unbehaglich das Gewicht.
    Die Chimici standen der Bruderschaft ausgesprochen feindselig gegenüber. Sie verdächtigten sie nämlich ihr Vorhaben zu sabotieren, ihre Macht über ganz Talia auszudehnen. Zudem glaubte der Herzog, dass diese Bruderschaft für den Tod seines jüngsten Sohnes, Prinz Falco, verantwortlich war, der vor weniger als einem Jahr verstorben war. Der junge Prinz hatte sich, nachdem er zwei Jahre zuvor schlimme Verletzungen bei einem Reitunfall davongetragen hatte, angeblich während eines Aufenthalts im Sommerpalast der Chimici bei Remora umgebracht.
    Aber jedermann wusste, dass der Herzog glaubte, es habe sich um Mord gehandelt – oder gar um Schlimmeres. Einige behaupteten, dass der Geist des jungen Prinzen umging, andere meinten, dass er überhaupt nicht tot sei. Als der Herzog damals mit dem Leichnam seines Sohnes aus Remora zurückkehrte, waren alle erschüttert von seinem veränderten Aussehen: Er war um Jahre gealtert und sein Haupthaar und sein Bart waren schlohweiß.
    Die Beisetzung von Prinz Falco war eine traurige, wenn auch prächtige Angelegenheit gewesen; der Herzog hatte ihn in der Kapelle des Palazzos im Inneren der Stadt zur Ruhe gebettet und die berühmte Giuditta Miele selbst hatte seine Gedenkstatue gemeißelt. Sulien wusste, dass Giudittas nächster Auftrag aus Bellezza kommen würde, dem unabhängigen Stadtstaat in der Lagune im Osten.
    Man munkelte, dass die derzeitige Duchessa, die schöne Arianna Rossi, zu den Hochzeiten der Chimici nach Giglia kommen würde. Obwohl sich ihre Stadt mit aller Macht gegen die Versuche der Chimici wehrte, die Unabhängigkeit von Bellezza zu brechen, hatte Arianna sich erstaunlicherweise mit Gaetano, dem dritten Sohn des Herzogs, angefreundet. Er war einer der Bräutigame und um seinetwillen hatte die Duchessa die Einladung angenommen.
    Sulien kannte Bellezza, denn er war erst vor kurzer Zeit aus einem Ordenshaus in der Nähe der Lagunenstadt gekommen, um das Kloster
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