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Stachel der Erinnerung

Stachel der Erinnerung

Titel: Stachel der Erinnerung
Autoren: F Henz
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die Unterkunft so indiskutabel ist, warum ziehen wir nicht woanders hin?“
    „Weil nichts anderes frei ist. Wir haben immerhin Hochsaison, alle Motels sind über die Sommermonate ausgebucht. Das Torget Sjøhus ist mit Abstand die teuerste Bleibe auf Bjørendahl, ohne mehr zu bieten als alle anderen hier. Nach unseren Erfahrungen ist der Service ein schlechter Scherz. Die Zimmer sind zwar okay, aber nichts Außergewöhnliches. Niemand, der einmal dort gewohnt hat, tut das freiwillig ein zweites Mal. Und ein kleines Vögelchen zwitscherte mir, dass das genau das ist, was Nick damit beabsichtigt.“
    „Klingt verlockend“, murmelte Tessa und säbelte ein Stück vom Hühnerfilet ab. Nicht zum ersten Mal fiel ihr auf, dass sich zähes Fleisch und stumpfe Messer nicht vertrugen.
    „Aber dafür sind wir alle zusammen.“ Hendriks Stimme klang höchst zufrieden, und als Tessa aufblickte, merkte sie, dass sein Gesichtsausdruck dem eines Katers glich, der einen Sahnebecher ausleckte. „Tür an Tür sogar.“

zwei
     
    Die dermaßen gepriesene Pension befand sich zehn Kilometer von der Küste entfernt im Hinterland. Zwei Lampen auf dem Parkplatz blieben das einzige Indiz für das Vorhandensein menschlichen Lebens an diesem Ort. Die Front des zweistöckigen Hauses war dunkel, Einzelheiten im Tag-Nacht-Zwielicht nicht auszumachen.
    Berit öffnete die Heckklappe des Wagens und nahm einen von Tessas Koffern heraus. „Wie wir gedacht hatten, der Herr des Hauses hat sein müdes Haupt bereits auf ein seidenes Kissen gebettet.“
    „Lass nur, ich mach das schon.“ Unbemerkt war Hendrik zu ihnen getreten und griff nach dem Gepäck.
    Die anderen waren schon auf dem Weg zum Eingang, und noch bevor sie dort ankamen, flammten über dem Tor und entlang der Fassade zahlreiche Lampen auf. Ein unnötiger Luxus, da die Nacht bestenfalls grau war.
    Statt eines Türschlosses gab es ein Zahlenfeld. Einer von Hendriks Männern hielt ihnen die Tür auf und sie eilten ins Innere des Hauses. Berit ging direkt auf den Empfangsschalter zu und schwenkte kurz darauf eine Karte samt einem Schlüssel. „Zumindest hat er nicht vergessen, dass ich ihm heute Morgen einen neuen Gast ankündigte. Komm, du bist in der zweiten Etage, so wie ich.“
    „Und ich“, fügte Hendrik hinzu und schenkte Tessa einen tiefen Blick aus bernsteinfarbenen Augen. Sie wusste nicht, ob sie lachen oder weinen sollte. Andererseits schmeichelte ihr seine Beharrlichkeit natürlich. Deshalb ignorierte sie Berit, die wie einer der Reiter der Apokalypse auf der zweiten Treppenstufe stand, und lächelte Hendrik freundlich an. „Sehr schön.“
    „Oh ja, das finde ich auch, Tessa“, schnurrte er zurück.
    Berit schlug mit der flachen Hand auf das hölzerne Treppengeländer. „In der Tat. Und jetzt kommt“, befahl sie ungehalten und ließ den Schlüssel um ihren Finger kreisen.
    Tatsächlich lag das Zimmer gleich neben dem von Berit. Hendrik stellte ihr die Koffer vors Bett und blickte sich um. „Auch nicht anders als meines. Hoffe nur, hier funktionieren alle Lampen. Wenn du was brauchst, mein Zimmer ist am anderen Ende des Ganges. Die Vierundzwanzig.“
    „Danke.“ Tessa schaffte es, weiterzulächeln und dabei nicht rot zu werden. „Dann bis morgen.“
    „Bis morgen. Frühstück gibt’s übrigens von acht bis zehn. Unten, neben der Küche.“ Mit diesen Worten schlenderte er aus dem Raum, ohne Berit auch nur zur Kenntnis zu nehmen, die ihm die Tür aufhielt und sie dann geräuschvoll ins Schloss fallen ließ.
    Tessa hatte ihre Jacke auf einen Sessel gelegt und streckte sich, während ihre Blicke durch den Raum wanderten. „Ist doch gar nicht so schlecht. Nach dem, was ihr erzählt habt, dachte ich schon, wir wären in einer Absteige der schlimmsten Sorte gelandet.“
    „Wart’s ab, morgen nach dem Frühstück reden wir weiter.“ Berit lehnte sich mit verschränkten Armen an die Tür. „Kann ich dich alleine lassen, oder muss ich mir Sorgen machen?“
    „Ich bin zum Umfallen müde. Du musst dir also keine Sorgen machen.“ Tessa gähnte. „Zumindest nicht heute.“
    Berit öffnete den Mund, aber Tessa schnitt ihr kurzerhand das Wort ab. „Um Himmels willen, du bist nicht meine Mutter. Du bist nicht mein Babysitter und ich denke es reicht, wenn ich dir einmal sage, dass ich weiß, warum ich hier bin. Habe ich dich jemals hängen lassen? Habe ich jemals Privates vor meine Arbeit gestellt? Habe ich mich jemals als die Männer verschlingende Mantis gebärdet, als
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